von Christian Kirchner und Heinz-Roger Dohms, 30. November 2024
In unserem Payment-Ticker finden Sie die Neuigkeiten rund um Zahlungsdienstleister, das Kartengeschäft der deutschen Banken und neue Geschäftsmodelle wie „Buy now, pay later“.
Hier der Ticker für November 2024:
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Die neue Girocard-Werbung ist nicht allzu subtil. Ein Kunde will mit einer konkurrierenden Karte seinen Kaffee-to-go bezahlen. Doch als er die Karte ans Terminal hält, steigt ein unangenehmer Rauch auf. Die Verkäuferin dreht sich angewidert weg und klagt: „Das ist immer so bei so einer Karte. Wegen der Gebühren. Das ist für mich wie Geld verbrennen.“ Wie gut, dass in diesem Augenblick bereits der Eiskaffee für den nächsten Kunden aus der Maschine läuft. Und noch besser, dass dieser Kunde (er trägt den sonderbaren Namen „Giro Momenti“, womöglich stammt er aus Italien) dann tatsächlich mit der Girocard bezahlt. Zeit für den Jingle. Und Zeit für die freundliche Stimme aus dem Off: „Girocard: Spar kleinen Geschäften große Gebühren“ … Klar: Mit der konkurrierenden Karte sind vor allem die Debit-Karten von Mastercard und Visa gemeint, die zumindest bei den großen Direktbanken die Girocard als „Top of Wallet“-Produkt abgelöst haben. Und klar auch, worauf die Kampagne zielt, nämlich auf die Skepsis, die viele Händler den Karten wegen ihrer tendenziell höheren Gebühren entgegenbringen. Bloß, und das ist die Frage, die dieser Tage in der deutschen Payment-Szene wieder mal diskutiert wird: Bedeuten die Gebühren eher ein kleines Ärgernis? Oder sind die Entgelte dermaßen hoch, dass sie gigantische Löcher in die Kalkulationen all der hart arbeitenden Bäckerinnen, Friseure, Café-Betreiber und Kiosk-Besitzerinnen da draußen reißen? Blick hinter ein paar spektakuläre Zahlen, die gerade aus der deutschen Kreditwirtschaft lanciert werden: FS Premium
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Gleich mehrere namhafte deutsche Banken wollen „Instant Payments“ erst auf den letzten Drücker anbieten – nämlich die Consorsbank, die hiesige Barclays-Tochter (ehemals Barclaycard) und allem Anschein nach auch die Santander-Zweitmarke „Openbank“. Hintergrund: Laut einer entsprechenden EU-Richtlinie müssen Anbieter von Zahlungskonten von 2025 an Echtzeit-Überweisungen verpflichtend anbieten – und zwar zu den gleichen Gebühren wie klassische Überweisungen. Bereits am 8. Januar läuft für Zahlungseingänge die entsprechende Frist ab, neun Monate später dann auch für Zahlungsausgänge.
Auf Anfrage von Finanz-Szene teilt die Consorsbank mit, dass man erst „zum regulatorisch vorgeschriebenen Datum am 9. Januar 2025“ live gehe. Auch beim kurz vor dem Verkauf an die österreichische Bawag stehenden Hamburger Kredite- und Kartenspezialisten Barclays Bank heißt es, man arbeite noch „an der Implementierung der Inbound-Lösung bis zum 8. Januar“. Die Openbank ließ derweil eine Anfrage unbeantwortet – allerdings bietet auch sie bislang keine Echtzeit-Überweisungen an, hat also nur noch wenige Wochen Zeit, um zumindest Echtzeit-Eingänge anzubieten.
Die Einführung von Apple Pay via Girocard bei der Commerzbank (siehe unseren Scoop von Montag) läuft nicht ganz friktionsfrei: Obwohl die Girocard in der Apple-Wallet als Option offeriert wird, hält sich die Zahl der erfolgreichen Installationen laut Rückmeldungen in diversen Nutzer-Foren in Grenzen. Zahlreiche Online-Banking-Kunden beklagten am Mittwoch einen „technischen Fehler“ beim Aktivierungsversuch. Einem Großteil der Nutzer (inklusive der „Finanz-Szene“-Redaktion) wird auch in der aktuellen App-Version keine Aktivierungs-Option für Apple Pay angezeigt.
Die Commerzbank erklärt auf Nachfrage, aufgrund der „wie erwartet großen Nachfrage“ erfolge der Rollout stufenweise. Man arbeite daran, die mobile Girocard mit Apple Pay „so schnell wie möglich“ für alle Kunden nutzbar zu machen. Interessant ist in dem Zusammengang auch, dass aktuell die Funktion der Bestellung einer Virtual Debit Mastercard in der Commerzbank-App deaktiviert ist – offenbar nur ein temporäres Phänomen. Das Angebot einer Virtual Debit Mastercard (bisher der „Apple Pay“-Workaround für Kunden ohne Kreditkarte) solle in der Angebotspalette erhalten bleiben, sagte der Sprecher.
Commerzbank vor der Einführung von Apple Pay mittels Girocard
Gossow dreht Bank-Verlag auf links – Deutsche-Bank-Experten im Anflug
Die Konsumentenfinanzierung in Deutschland wandert mehr und mehr von den klassischen Banken zu den Payment-Spezialisten – darauf zumindest deuten Zahlen hin, die die Schufa am Dienstag offengelegt hat. Laut Daten der Auskunftei blieb die Zahl der ausgegebenen Ratenkredite im vergangenen Jahr mit 9,2 Millionen zwar insgesamt weitgehend konstant. Dabei sank die Zahl der Kredite mit einer Darlehenssumme von mehr als 1.000 Euro allerdings deutlich um 8% auf nur noch 4,84 Mio. Stück, während parallel die Zahl der Kredite bis zu einer Höhe von 1.000 signifikant um 14% auf 4,35 Mio. Stück anstieg. „Grund für diesen Trend sind nicht zuletzt ‚Buy now, pay later‘-Angebote im E-Commerce, bei denen häufig Zahlungsdienstleister die Zahlungsabwicklung übernehmen und Finanzierungsmöglichkeiten anbieten“, hält die Schufa (plausiblerweise) fest. Wie hoch der Anteil des BNPL-Geschäfts an den Kleinkrediten ist, konnte oder wollte die Auskunftei auf Anfrage nicht mitteilen. Interessant: Besonders stark stieg das Geschäft mit Kleinkrediten unter den 35- bis 49-Jährigen, nämlich um rund 30%.
Visa und Mastercard sind es gewohnt, dass nach ihren Bedingungen gespielt wird. Fast überall auf der Welt – und auch in Deutschland. Zwar hat die hiesige Kreditwirtschaft bekanntlich ein eigenes Bezahl-Scheme im Rennen, nämlich die Girocard. Deren Akzeptanz allerdings ist ebenso bekanntlich auf das Inland beschränkt und selbst dort auf den physischen Point of Sale. Sobald’s über die Grenze geht, verkommt die Girocard für sich genommen zu einem Stück Plastik. Als Bezahlmittel taugt sie nur dank der integrierten Co-Badge-Funktionen von – genau, Visa und Mastercard. Jedenfalls: Weil das alles so ist, glaubte Mastercard vor drei Jahren, eine ziemlich weitgehende Änderung wieder mal im Handstreich durchsetzen zu können. Binnen kürzester Zeit wollte der US-Konzern das angestammte Co-Badge-Verfahren (sprich: Maestro) abschaffen. Stattdessen sollten Banken und Sparkassen die Girocard ab Mitte 2023 nur noch mit einem auf Mastercard Debit beruhendem Co-Badge begeben dürfen – also genau jenes Debit-System, mit dem Mastercard gleichzeitig (hübsche Frenemy-Strategie) die Girocard frontal attackiert. Als wir die Pläne im Herbst 2021 spitzkriegten (siehe unsere damalige Exklusiv-Berichterstattung hier und hier), schrieben wir in vermeintlich angemessener Aufregung von einer „Schock-Nachricht für die deutsche Kreditwirtschaft“ und von einer „nuklearen Option“, die Mastercard da ziehe. In Wirklichkeit aber – ist dann alles ziemlich anders gekommen. Etliche Banken setzen knapp anderthalb Jahre, nachdem die vermeintliche Deadline abgelaufen ist, wie eh und je auf die Maestro-Co-Badge. Und allmählich fragt sich, ob Maestro vielleicht sogar dauerhaft bleibt. Hier der Status quo (und warum sich die deutschen Banken so entschieden an Maestro klammern): FS Premium
Die Stand-Alone-Variante der EPI-App „Wero“ könnte zeitnah starten – wirklich sicher scheinen sich die Macher aber selbst nicht zu sein. So ist im Apple-Store unter „Bald erhältlich“ der Hinweis „Vsl. 21. November 2024“ vermerkt. Die Postbank wollte mit der Stand-alone-Variante (bedeutet, dass die Funktionen nicht in die Banking-App integriert werden) eigentlich schon im Sommer livegehen. Zuletzt war dann von Oktober die Rede, doch auch dieses Datum wurde gerissen.
Ob die Deutsche Bank „digital“ kann – das werden die nächsten Jahre zeigen. Was sie aber in jedem Fall kann, das ist „PR“, und so wurde die vermeintlich nischige Mitteilung, dass die Postbank von November an ein neues Tool namens „Bargeld per Barcode“ anbietet, vergangene Woche zum kommunikativen Triumphzug. Die Postbank „revolutioniere“ den Bargeld-Service, war an einer Stelle sogar zu lesen (es handelte sich um eine nicht ganz unbedeutende Publikation) – eine sportliche These, wenn man bedenkt, dass die in puncto Digitalisierung auch nicht über alle Zweifel erhabenen Sparda-Banken ein entsprechendes Feature bereits seit 2017 anbieten. Jedenfalls: Auch wir selber hatten dem Thema vergangene Woche eine durchaus längere Betrachtung gewidmet. Dabei betonten wir, dass die Einführung des neuen Angebots (in aller Kürze: Kunden können mit ihrer Postbank-App künftig bis zu 1.000 Euro an Supermarkt-Kassen abheben oder einzahlen) aus Bankensicht durchaus sinnvoll ist. Als wir uns indes übers Wochenende (manchmal ist einem halt langweilig) mal ein bisschen intensiver mit dem Thema auseinandersetzten, da verfestigte sich irgendwann der Gedanke: Kann es sein, dass so ein Bargeld-Service nicht nur sinnvoll ist – sondern blanke Notwendigkeit? Und zwar nicht nur aus Sicht der Postbank. Sondern aus Sicht aller insbesondere großen, privaten Filialbanken? Hier entlang: FS Premium
Sämtliche Payment-News aus September und Oktober 2024
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