von C. Kirchner, H.-R. Dohms und G. Hädicke, 30. September 2025
In unserem Payment-Ticker finden Sie die Neuigkeiten rund um Zahlungsdienstleister, das Kartengeschäft der deutschen Banken und neue Geschäftsmodelle wie „Buy now, pay later“.
Hier der Ticker für September 2025:
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Neulich beschlich uns für einen Moment das Gefühl, dass Wero jetzt tatsächlich angekommen ist. Vielleicht noch nicht mitten in der Gesellschaft. Aber immerhin schon mal im feinen Hamburger Stadtteil Eppendorf. Da nämlich wussten bei einer Geburtstagsparty zwei Freundinnen zu berichten, dass es da diese neue Bezahl-Funktion gebe, auf die sie in ihrer Banking-App aufmerksam geworden seien – und die sie auch schon ausprobiert hätten. Weil man ja jetzt auch mal „im Sinne der europäischen Souveränität“ handeln wolle. Also in diesem Fall: Nicht im Sinne von Paypal. Wäre Joachim Schmalzl zugegen gewesen, der Chairman der EPI Company (das ist die Betreibergesellschaft von Wero) – womöglich wäre er vor Freude jubelnd um den Block gerannt. Wobei aber natürlich zu fragen bleibt: Ist die kleine Anekdote wirklich schon repräsentativ??? Zumal das „Handelsblatt“ dieser Tage zwar von Wero-Störungen bei den Volksbanken berichtete – zugleich aber die Rede davon war, dass nur 6.700 Transaktionen betroffen gewesen seien. Was entweder bedeutete: Die Störungen waren geringfügig. Oder eben – Wero kann ruhig mal ausfallen, merkt eh noch kaum jemand. Jedenfalls: Die offiziellen Zahlen machen durchaus Hoffnung. Die Sparkassen vermeldeten zuletzt mehr als 1 Mio. Aktivierungen, bei den Genossen waren es 650.000 – und ING Diba kam eine Woche nach dem Wero-Launch schon auf mehr als 100.000 aktive Kunden, bei „stetig linearer Zunahme“, wie Vorstandschef Lars Stoy freudig anmerkte. Wenn dann demnächst die „blaue“ Deutsche Bank dazustößt (die „gelbe“ Postbank ist ja schon dabei und Revolut ist ebenfalls schon gestartet) und man mit Wero demnächst dann hoffentlich auch im Onlinehandel bezahlen kann – könnte aus der European Payments Initiative dann tatsächlich eine Erfolgsstory werden??? Antwort: Gemach, gemach! „Aktiviert“ heißt ja nicht, dass Wero auch wirklich genutzt wird. Und die inzwischen rund 2 Mio. Aktivierungen über alle Banken hinweg sind ja noch nicht wirklich viel in einem Land, in dem mehr als 80 Mio. Menschen leben. Wie verbreitet ist Wero also wirklich schon? Und warum kriegt man im Alltag fast nie mit, dass Wero wirklich mal genutzt wird? Eine Graswurzel-Recherche: FS Premium
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Der US-Bezahldienstleister Paypal wechselt den Deutschland-Chef aus. Wie der PAB-Blog am Wochenende als erstes berichtete, wird Jörg Kablitz das Unternehmen nach mehr als zehn Jahren verlassen. Nachfolgerin wird Carola Wahl, bis vor wenigen Monaten in identischer Position für den italienischen Payment-Provider Nexi (über ihr Ausscheiden hatten wir damals exklusiv berichtet). „Carola Wahl verfügt über eine außergewöhnliche Erfolgsbilanz bei der Umsetzung von Transformationen und eine nachgewiesene Fähigkeit, Wachstum in regulierten Branchen zu erzielen“, erklärte eine Paypal-Sprecherin am Sonntag gegenüber dem „Handelsblatt“. Die Amerikaner kommen im deutschen Online-Handel laut Zahlen des EHI-Instituts auf einen Marktanteil von rund 29%. Eine der Herausforderungen für Wahl dürfte darin bestehen, den Angriff des bankeneigenen europäischen Herausforderer Wero abzuwehren.
Die Deka ist eine von insgesamt neun europäischen Banken, die im kommenden Jahr einen gemeinsamen Stablecoin auflegen wollen – und die dafür ein Joint Venture in den Niederlanden gegründet haben (ein interessanter Schritt auch vor dem Hintergrund, dass sich bankeneigene Stablecoin-Projekte ja in zumindest latenten Wettbewerb zum digitalen Euro begeben, siehe auch unseren heutigen Wochen-Podcast weiter oben). Bei den übrigen acht Instituten handelt es sich um Unicredit, Banca Sella (beide Italien), die ING Groep (Niederlande), die KBC (Belgien), die Danske Bank (Dänemark), die SEB (Schweden), die Caixabank (Spanien) sowie um die Raiffeisen Bank International (Österreich).
Wenn Echtzeit-Zahlungen scheitern – und die Bank in Erklärungsnot gerät: Fehlermeldungen à la „Zahlung konnte nicht durchgeführt werden“ drohen künftig häufiger vorzukommen. Denn durch die Verpflichtung zu Instant Payments werden Liquiditätsengpässe für Banken von einem bislang undenkbaren zu einem gar nicht mal unwahrscheinlichen Szenario. Wie sollen die Institute bei „Insufficient Funds“ reagieren? Ein Lösungsansatz für operative Entlastung: Finanz-Szene (frei zugänglich)
„Die Banken können den digitalen Euro nicht verhindern – aber noch beeinflussen“
Unzer gibt einen ersten, wenn auch sehr rudimentären Einblick in seine 2024er-Geschäftszahlen: Via Süddeutsche Zeitung (Paywall) deklariert der mittlerweile von Berlin aus operierende Payment Service Provider Umsätze von „mehr als 220 Mio. Euro“ – was verglichen mit dem Vorjahr einem Zuwachs von 7% entspreche (wobei daran erinnert sei, dass die Bafin das 2022 gegen Unzer verhängte Neugeschäftsverbot erst im Oktober 2024 wieder aufgehoben hatte). Das „bereinigte Ergebnis vor Steuern“ stieg dem Artikel zufolge um 16% auf über 30 Mio. Euro. Was genau hier wie bereinigt worden sein soll, bleibt unklar. Ein Geschäftsbericht für 2024 ist noch nicht veröffentlicht.
Jedenfalls impliziert die Darstellung, dass Unzer nach den Horrorverlusten früherer Jahre (siehe hier und hier) angeblich auch schon 2023 schwarze Zahlen geschrieben hat. Anhand des im Bundesanzeiger veröffentlichten Zahlenwerks der Unite Holding (also der Dachgesellschaft, in der das Geschäft von Unzer und den über die Jahre unter KKR-Ägide getätigten Zukäufen konsolidiert wird) lässt sich dieser Befund nicht wirklich nachvollziehen. Stattdessen wurde ein negatives Ebitda im Umfang von 700.000 Euro ausgewiesen. Und vor dem Hintergrund weiterer Abschreibungen im Umfang von 70 Mio. Euro (nach brutalen 350 Mio. Euro in 2022) summierte sich der Jahresfehlbetrag sogar auf 110 Mio. Euro. Von einer „bereinigten“ Gewinnkennziffer findet sich, soweit für uns ersichtlich, im 2023er-Abschluss der Unite Holding nichts.
Manche Zahlen ändern sich (scheinbar) nie. So gibt es, glaubt man den offiziellen Angaben, seit Jahr und Tag rund 50 Mio. Sparkassen-Kunden. Mehr als 30 Mio. Kunden bei Volks- und Raiffeisenbanken. Und, es sind da draußen rund 100 Mio. Girocards im Umlauf. Hieß es jedenfalls immer. Und heißt es auch weiterhin. Eigentlich. Uneigentlich allerdings ploppt plötzlich noch eine etwas andere Zahl auf. Hier entlang: FS Premium
Ganz viel Payment – und noch mehr: Wieso den Sparkassen die Sachkosten davonlaufen
Die Wachstumsprobleme der Girocard (siehe zuletzt hier) haben offenbar viel stärker mit den Issuern als mit den Kunden zu tun. So zeigen neue Zahlen von den Sparkassen, dass in ihrem Sektor die Nutzerzahlen sehr wohl weiterhin zulegen – nämlich von Januar bis Juni um 9% bei den Transaktionen (auf nun 2,2 Mrd. Stück) bzw. um 4% beim Umsatz (der sich damit auf 78 Mrd. Euro summierte). Das sind signifikante Unterschiede zu den branchenweiten Zahlen. Diesbezüglich hatte der Girocard-Betreiber EKS zuletzt ebenfalls bezogen aufs erste Halbjahr ein Wachstum von nur 5% bei den Bezahlvorgängen und sogar ein faktisches Nullwachstum bei den Transaktionen vermeldet.
Sprich: Da, wo die Girocard weiterhin das „Top-of-Wallet“-Produkt ist (also vor allem bei den Sparkassen), wird sie von den Kunden auch weiterhin in wachsendem Maße eingesetzt. Indes: Genau das (also das „Top-of-Wallet“-Produkt) ist sie halt bei etlichen kundenstarken Banken wie der ING Diba, der DKB oder der Comdirect nicht mehr. Wie stark die branchenweiten Verschiebungen mittlerweile fortgeschritten sind, zeigt auch sich daran, dass die Sparkassen im ersten Halbjahr mit den besagten 78 Mrd. Euro für 52% (!) aller Girocard-Umsätze standen.
Was Berliner Fintechs (und Frankfurter Banker) vom Klarna-IPO lernen können
Was es mit der neuen Co-Badge-Partnerschaft der Girocard auf sich hat
Echtzeit-Zahlungen kennen kein Wochenende – sind unsere Banken darauf vorbereitet? Ab Oktober sind Banken dazu verpflichtet, Instant Payments auch beim Zahlungsausgang anzubieten. 24/7, 365 Tage im Jahr. Nachts, am Wochenende und an Feiertagen. Fehler in der Liquiditätsplanung verzeiht dieses System nicht mehr – und das kann schwerwiegende Folgen für Institute und ihre Kunden haben. Wie sich Banken auf die Anforderungen einstellen können: Finanz-Szene (frei zugänglich)
Deutsche Bank distanziert sich von „Ertrags-Clicker“ bei Miles&More-Karte
„Auch wenn der Fehler bei Paypal lag – die Branche hat nicht gut reagiert“
Der Online-Bezahldienstleister Paypal hat erstmals eine genauere Erklärung geliefert, warum es in der vergangenen und vorvergangenen Woche zu massenhaft fehlerhaften Lastschrift-Anfragen bei hiesigen Bankkonten von Paypal-Nutzern gab. Wie das Manager Magazin (Paywall) einen Sprecher zitiert, entstand „der Zwischenfall durch einen Programmierfehler“. Bei einem System-Update sei „ein Stück Code abgebrochen“. Deshalb habe man den Sicherheitsfilter für „ein paar Stunden“ ausgesetzt (siehe zu alldem auch unseren Deep Dive –> Das Paypal-Chaos, die Rolle der Banken – und was letzten Montag wirklich los war).
Die Erklärungen von Paypal beinhalten noch zwei weitere spannende Details: Zum einen geben die Amerikaner die Zahl der von dem Vorfall betroffenen Kunden mit 5% an. Gemessen an insgesamt 35 Mio. Kundenkonten hierzulande (das ist die offiziell kommunizierte Zahl) wären das also knapp 2 Mio. Betroffene. Und: Entgegen der von offizieller Seite bereits mehrfach aufgebrachten Behauptung, die Probleme seien mittlerweile gelöst, waren zu Wochenbeginn noch immer Kundenkonten aufgrund des Vorfalls gesperrt. So sagte der Paypal-Sprecher (der offenbar am Dienstag mit dem „MM“ sprach), man arbeite daran, „alle gesperrten Accounts noch im Laufe des Dienstags wieder freizuschalten“.
Brötchen ja, Toaster nein – warum die Girocard nur noch scheinbar wächst
Die „Miles&More“-Partnerschaft zwischen der Lufthansa und der Deutschen Bank bewegt sich weiterhin nur in Trippelschritten vorwärts. Zwar gibt der bisherige Issuing-Partner von „Miles&More“, die DKB, seit gestern keine neuen Karten mehr heraus – was als Indiz gewertet werden kann, dass es demnächst losgehen wird mit der komplexen Migration zum neuen Issuing-Partner, also der Deutschen Bank. Insgesamt gestaltet sich der Prozess allerdings weiterhin zäh.
Zuletzt hatte die Deutsche Bank wissen lassen, dass der zunächst für „Mitte 2025“ annoncierte Wechsel doch erst im Herbst vollzogen werden soll. Nun verschiebt sich die Übergangsfrist allerdings erneut leicht nach hinten – was man unter anderem daran erkennt, dass die DKB ihre Altkarten bei Bedarf noch bis „Frühjahr 2026“ bedienen will (bislang war von „Anfang 2026“ die Rede gewesen). Anders als jüngst angekündigt hat die Deutsche Bank zudem noch immer keine Informationen für ihre „Miles&More“-Karte bereitgestellt.
Die Maschinen von Paypal sind riesig. Von 100 Euro, die im deutschen Online-Handel umgesetzt werden, laufen rund 30 Euro über den US-Dienst. Und bei Peer-to-Peer-Zahlungen (also wenn sich Verbraucher gegenseitig Geld schicken) wird der hiesige Marktanteil der Amerikaner sogar auf etwa 90% veranschlagt. Oder anders gesagt: An einem durchschnittlichen Werktag dürfte Paypal hierzulande Transaktionen mit einem Gesamtumfang von grob geschätzten 300-400 Mio. Euro umsetzen. Eine gigantische Summe!!! Dann allerdings – kam der 25. August 2025. Und die Maschinen von Paypal begannen plötzlich Amok zu laufen. Um dreistellige Millionenbeträge ging es zwar auch jetzt noch. Allerdings nicht mehr als Aggregat eines kompletten Werktags. Sondern, so schildern es jedenfalls Insider aus deutschen Banken, teils in Form eines einzelnen Lastschrift-Auftrags. Plötzlich hantierte man nicht mehr mit riesigen Summen. Sondern mit völlig abstrusen. Banken und Sparkassen, so wird es kolportiert, sollten teilweise Lastschriften einlösen, die Haftungsgrenzen und aufsichtliche Limite regelrecht gesprengt hätten. Was dann passierte, so jedenfalls ging bislang die Erzählung, war Folgendes: Um nicht zu versinken in dem Chaos, das Paypal losgetreten hatte, stoppten die deutschen Banken ihre eigenen Maschinen. Lösten also von hier auf jetzt einfach keine Paypal-Lastschriften mehr ein. Alle Stecker raus. Von Hundert auf Null. Ein Akt der Notwehr. Doch war es wirklich so? Finanz-Szene hat versucht, die Ausnahmesituation des vergangenen Montags zu rekonstruieren – und ist dabei auf auffällige Widersprüchlichkeiten in der Darstellung der deutschen Kreditwirtschaft gestoßen. Unser Deep Dive: FS Premium
Sämtliche Payment-News aus Juli und August 2025
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