FAQ

Wie das „Meilen-Karussell“ von DKB und Revolut funktionierte – und wer draufzahlte

Nehmen wir zum Beispiel Herrn F. (richtiger Name der Redaktion bekannt, seine Kontoauszüge ebenso). Ein paar wenige Monate als Revolut-Kunde reichten dem guten Mann, um rund 2,5 Millionen Prämien-Meilen beim „Miles & More“-Programm anzusammeln. Für die bahnfahrenden Volksbanker unter Ihnen, liebe Leserinnen und Leser: Das sind bei der Lufthansa (also beim Betreiber von „Miles & More“) grob gerechnet zwölf „First Class“-Flüge nach New York oder alternativ vier „Rund um die Welt“-Reisen.

Kein Wunder also, dass irgendwem da draußen zuletzt unwohl geworden sein muss bei der Sache (siehe unseren gestrigen Aufmacher –> DKB stoppt lukrativen „Miles & More“-Deal für Revolut-Kunden). Aber wem genau??? Der DKB als Issuer der „Miles & More“-Kreditkarte? Oder Revolut als Bank von Herrn F. und unzähligen anderen Kundinnen und Kunden? Was dann unweigerlich zu weiteren Fragen führt: Welche Dimension hatte die als „Meilen-Karussell“ bekannte Praxis? Warum haben DKB und Revolut dem Treiben lange Zeit zugeschaut? Und wer von beiden hat am Ende eigentlich draufgezahlt?

Unser FAQ zu einem fast schon grotesken industriellen Phänomen:

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1.) Was genau ist passiert?

Letzten Donnerstag informierte die DKB darüber, dass bei insgesamt 15 Banken und Fintechs die Nutzung der „Miles & More-„Kreditkarte keine „Meilen-Prämien“ mehr nach sich zieht. Schon am Freitag wurden den Kunden der betroffenen Finanzdienstleister keine Meilen mehr gutgeschrieben.

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2.) Wer sind die 15 Banken und Fintechs?

  • Revolut
  • Wise
  • Xoom
  • Remitly Cork
  • Worldremit
  • Moneygram
  • Paysend
  • Verse
  • Transfergo
  • Taptap Send
  • Western Union
  • Joompay
  • Naga Pay
  • Monodirect

Auch betroffen sind die ebenfalls von der DKB ausgegebenem „Hilton Honors“-Karten und die entsprechenden Gutschriften von Hilton-Punkten, die für Übernachtungen eingesetzt werden können.

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3.) Wie begründet die DKB den Stopp?

Mit einem „stark angestiegenen Volumen dieser Zahlungsvorgänge“. Die Formulierung „diese Zahlungsvorgänge“ spielt darauf an, dass der Kreditkarteneinsatz bei den genannten Anbietern eben nicht auf typischen Kreditkarten-Transaktionen beruhte (also etwa der Buchung eines Hotels oder eines Mietwagens) – sondern darauf, dass mit der Kreditkarte Giro- oder Verrechnungskonten für Geldtransfers „aufgeladen“ wurden und damit ganz normale Girokonto-Umsätze (etwa Mietzahlungen oder größere Anschaffungen) indirekt zum „Meilen-Sammeln“ genutzt wurden.

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4.) Warum fokussiert sich die Debatte auf Revolut?

Weil die britische Neobank – die in Kontinentaleuropa mit einer litauischen Lizenz agiert – unter „Meilenjägern“ als besonders populär gilt. Denn sie bietet ein echtes Girokonto an und erlaubt zugleich Aufladungen mit Kreditkarten. Branchenkenner gehen davon aus, dass es sich bei dem letzte Woche vollzogenen Schritt de facto um eine „Lex Revolut“ handelt, auch wenn 14 andere Finanzdienstleister ebenfalls sanktioniert wurden. Bei denen dürften aber erheblich weniger Meilen generiert worden sein als bei Revolut.

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5.) Um welche Beträge geht es?

Dazu gibt es keine verlässlichen Zahlen. Unter „Meilen-Jägern“ gilt es allerdings als offenes Geheimnis, dass Revolut-Konten weit über den typischen Kreditkarten-Einsatz hinaus genutzt wurden, um „Prämien-Meilen“ zu generieren. Sprich: Der oben geschilderte Fall von „Herrn F.“ dürfte keine Ausnahme gewesen sein.

In einschlägigen Foren kursierte am Wochenende zum Beispiel auch der Konto-Screenshot eines Revolut-Kunden, der binnen sechs Monaten mehr als 3 Mio. „Prämien-Meilen“ angehäuft hatte – durch dutzende „Aufladungen“ und einfache Überweisungen. In der Vielflieger-Szene gab es für solche Praktiken den Begriff  „Meilen-Karussell“ (zumal wohl auch Geld hin- und her transferiert wurde).

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6.) Warum wurden diese Manöver nicht früher verhindert?

Weil die DKB mit vielen der eingesetzten „Miles & More“-Karten trotzdem Geld verdiente (zumal wenn es um Business-Kunden ging, bei denen die Deckelung der Interchange-Gebühren nicht greift). Das Phänomen des „Meilen-Karussels“ fiel verglichen damit lange Zeit weniger ins Gewicht.

Revolut wiederum vergab tägliche Einzahl-Limits – und glaubte möglicherweise, auf diese Weise das Problem begrenzen zu können. Insider berichten jedoch, sie hätten ihr Revolut-Konto mit echten Kreditkarten-Transaktionen „trainiert“, um den Eindruck zu erwecken, es handele sich um das Hauptkonto eines Top-Verdieners. Dem Vernehmen nach konnten die Inhaber eines entsprechend „trainierten“ Konto dann auch schon mal Einzahlungen von zehntausenden Euro an einem Tag vornehmen.

Wie es heißt, griffen Revolut oder DKB bei allzu offensichtlichem Missbrauch in auch bislang schon ein. Bereits erworbene „Prämien-Meilen“ seien aber weder eliminiert noch eingefroren worden. Wer das spielte mitspielte, ging also kaum ein Risiko sein.

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7.) Durfte die DKB die Praxis einfach stoppen?

Ja. Denn die AGB von Revolut sehen vor, dass die Revolut-App und die Revolut-Karte weder direkt noch indirekt „zum bloßen Transfer von Geld von einem bzw. auf ein Kreditkartenkonto“ genutzt werden dürfen. Sprich: Nicht der Stopp ist fragwürdig. Sondern, dass die Praxis bislang offenkundig geduldet wurde.

Laut den AGB der „Miles & More“-Kreditkarte übrigens sind „Zahlungsvorgänge, deren erkennbar alleiniger Zweck die Erlangung von Prämien-Meilen [sind]“, ebenfalls untersagt. Damit dürfte auch die Frage geklärt sein, ob die DKB hier nicht möglicherweise „zustimmungspflichtige“ Änderungen vornimmt. Denn: Aus Sicht der Direktbank scheint es nur um die Auslegung längst bestehender Bedingungen zu gehen.

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8.) Wer hat bei dem Modell draufgezahlt?

Laut Industrie-Insidern konnten sowohl Revolut als auch DKB mit der Meilen-Schindern lange Zeit gut leben. Die DKB (siehe oben) verdiente an den Business-Kunden, Revolut gewann über die „Miles & More“-Kunden mutmaßlich große Mengen an Einlagen, Umsätzen und Kunden.

Zuletzt soll sich das Ganze dann aber immer weniger gerechnet haben, ist zu hören. Und zwar aus drei Gründen:

  1. Beim „Aufladen“ der Revolut-Konten hätten immer mehr Kunden auf Apple Pay gesetzt – ein weiterer Akteur in der Wertschöpfungs-Kette. Von 20 Basispunkten bei jedem „Auflade“-Vorgang ist die Rede. Den Schaden hatte die DKB als Issuer.
  2. Insider sagen, die Kreditkarten-Schemes hätten die „Aufladungen“ irgendwann als „Moneysend“-Transaktionen gewertet (ob damit Mastercard, Visa oder beide gemeint sind, ist uns an der Stelle ehrlich gesagt nicht ganz klar) und die Vergütungen dafür drastisch gesenkt. Auch deshalb habe die DKB als Issuer zuletzt weniger Gebühren erhalten.
  3. Über Blogs und Finfluencer wurde das „Meilen-Karussells“ immer populärer, das Ausmaß des Missbrauchs immer größer.

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9.) Wie sah die Kalkulation der DKB aus?

Die DKB muss die „Prämien-Meilen“, die sie den Kunden gutschreibt, bei der Lufthansa (also bei der „Miles & More“-Betreiberin) erwerben. Die Airline wiederum bildet für die so geschaffenen Meilen eine Rückstellung in ihrer Bilanz.

Nun macht die Lufthansa zwar ein Geheimnis daraus, welchen bilanziellen Wert sie für die „Prämien-Meilen“ ansetzt. Allerdings lässt sich dem 2023er-Abschluss entnehmen, dass die „Verbindlichkeiten aus nicht ausgeflogenen Flugdokumenten“ und die „Verpflichtungen aus Kundenbindungs-Programmen (insbesondere Miles & More)“ bei zusammen rund 1,5 Mrd. Euro lagen. Es geht also um große Summen.

Ein weiterer Datenpunkt: Im Jahr 2012 hatte die Lufthansa mal in einem Zivilprozess argumentiert, angemessen sei eine Rückstellung von 0,8 Cent je „Prämien-Meile“. Würde dies grob heute immer noch gelten (was plausibel erscheint), dann müsste die DKB nach unserem Dafürhalten mindestens den gleichen Betrag an die Lufthansa entrichten. Bei den eingangs erwähnten rund 2,5 Mio. Euro wären das mithin etwa 10.000 Euro.

Somit liegt nahe, dass die DKB jener Akteur war, der das größte Interesse hatte, dem „Meilen-Karussell“ ein Ende zu setzen. Offiziell äußern wollte sich die Berliner Direktbank dazu gegenüber Finanz-Szene nicht und verwies auf die allgemeinen Angaben auf der Internetseite zum Meilen-Aus. Was möglicherweise auch eine Rolle gespielt haben mag: Nächstes Jahr wandert das „Miles & More“-Kartengeschäft ohnehin von der DKB zu Deutschen Bank.

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10.) Wie sah die Kalkulation von Revolut aus?

Wie schon angerissen, dürfte Revolut vom „Meilen-Karussell“ in Firm von neuen Kunden, Umsätze und Einlagen beschert haben. Billig war das Ganze allerdings nicht, sagen Kenner.

Denn: Die Londoner Neobank agierte, wenn sie Kartenzahlungen für das eigene Konto annahm, fachlich gesprochen nicht als Bank, sondern als Merchant – und musste je nach Kunde eine Bearbeitungsgebühr (Acquiring Markup), eine Gebühr für das Kreditkarten-Unternehmen (Scheme Fee) und die Interchange-Fee entrichten. Dass die DKB das „Meilen-Karussell“ nun gestoppt hat, ist für Revolut also zweischneidig. Die Briten verlieren an Schwungmasse. Sparen aber auch Provisionsaufwendungen.

Klar: „Miles & More“ ist nicht die Antwort auf die Frage, wie es der Neobank gelungen ist, binnen weniger Jahre weltweit 35 Mio. Kunden zu gewinnen, darunter rund 1 Mio. Kunden in Deutschland. Stattdessen dürfte der Fall eher pars pro toto illustrieren, wie Revolut agiert.

Ein Sprecher von Revolut erklärte auf Anfrage von Finanz-Szene:

„Revolut hat frühzeitig auf exzessive Aufladungen im Rahmen des Miles&More Programms oder ähnlicher Loyalty-Programme hingewiesen und auch sämtliche hierfür vorliegende interne Erkenntnisse geteilt. Wir haben daraufhin unsererseits verschiedene Maßnahmen ergriffen und auch Geschäftsbeziehungen zu Kunden gemäß unserer AGBs beendet. Revolut hat diese Praxis zu keinem Zeitpunkt gefördert oder incentiviert. Wir sind jedoch überrascht darüber, dass die DKB dieser Praxis nicht schon eher einen Riegel vorgeschoben hat.“

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