von Christian Kirchner, 7. Januar 2025
Wir wissen nicht, wie es Ihnen geht, liebe Leserinnen und Leser – aber wir hier sind an der Supermarkt-Kasse eigentlich immer froh, wenn vor uns möglichst wenige Kunden bar bezahlen. Weil Barzahlung halt furchtbar lange dauert, zumindest gefühlt. In Wirklichkeit freilich: Täuscht dieses Gefühl!!! Zumindest, wenn man den Empirikern von der Bundesbank glaubt. „An der Ladenkasse ist Barzahlung noch immer das schnellste […] Zahlungsmittel“, hielten die Buba-Forscher Anfang 2019 auf Basis einer groß angelegten Studie fest. Mit dem Aufkommen von Mobile Payment und Kontaktlos-Zahlungen veränderten sich dann zwar die Parameter. Aber selbst in einer Anfang 2023 veröffentlichten Folge-Untersuchung beharrte die Bundesbank, dass Bargeld mit 18,7 Sekunden immer noch das zumindest zweitschnellste Zahlungsmittel sei. Hinter dem Smartphone (14,0 Sekunden). Aber vor kontaktloser (19,3 Sekunden) bzw. klassischer Kartenzahlung (25,7 Sekunden).
Jedenfalls: Dieser Tage nun hat die Bundesbank* ihr nächstes „Cash vs. Karte“-Traktat publiziert – und auch diesmal schneidet das Bargeld wieder verblüffend gut oder, sagen wir, mindestens mal kontraintuitiv gut ab. Dabei steht diesmal, anders als 2019 und 2023, nicht die Geschwindigkeit der unterschiedlichen Bezahlarten im Fokus, sondern die anfallenden Kosten für den Verbraucher. Dabei will die Bundesbank herausgefunden haben, dass beim Bargeld der durchschnittliche Aufwand gerade mal bei 0,38 Euro pro Transaktion liegt – während bei Debitkarten (darunter die Girocard) 0,74 Euro und bei der Kreditkarte sogar 1,34 Euro zusammenkämen. Wie das?, fragt man sich da als argloser Konsument. Ist es nicht so, dass die Debitkarte bequem per Post kommt (und das alles je nach Bank sogar kostenlos)? Und dass man mit ihr dann überall oder fast überall sozusagen umsonst bezahlen kann (denn die Transaktionskosten trägt ja der Handel)? Ja, ja, sagt hierauf nun die Bundesbank. Aber die wahre Rechnung, also die „Vollkosten-Rechnung“ – die sehe ganz, ganz anders aus.
Und zwar so:
In weiten Teilen ist die neue Bundesbank-Studie eine nicht nur sehr detaillierte, sondern auch plausible Veranstaltung. So wird der finanzielle Schaden im Falle eines Diebstahls ebenso berücksichtigt wie die Opportunitätskosten für die Dauer des Bezahlvorgangs oder der Zeitaufwand, der für den Gang zum Geldautomaten oder für die Kontrolle von Kontoauszügen (bei häufiger Kartenzahlung) anfällt. Die Buba-Forscher haben sich also allem Anschein nach viel Mühe und viele Gedanken gemacht.
Beispielhaft (die detaillierte Auflistung aller Kosten finden Sie weiter unten):
Die Sache ist nun aber, dass die vielen kleinen Kostenpositionen (neun an der Zahl) letztlich wie akademisches Beiwerk anmuten. Denn der wahre Kostenbrummer kommt erst ganz am Ende und lässt die übrigen Berechnungen mehr oder minder zur Makulatur werden. Gemeint sind: Die Kosten für die Preisgabe persönlicher Daten bei der Kartenzahlung. Auf den Cent genau wollen die Bundesbank-Leute diesen Kostenblock ermittelt haben. Im Falle der Debitkarte liegt er – wie bei der Kreditkarte – bei 43 Cent pro Transaktion – und übertrifft damit alle anderen Positionen um Längen.
Womit sich natürlich die Frage aufdrängt: Wie will die Bundesbank das herausgefunden haben?
Also:
Ist das methodisch nachvollziehbar? Nun ja: Einerseits ist es zwar smart, das „Payback“-Programm als Referenzgröße heranzuziehen. Andererseits aber sind Kreditinstituten bei der Nutzung von Zahlungsdaten sind datenschutzrechtlich enge Grenzen gesetzt (was auch ein Grund ist, warum sich die Branche bislang schwertut, ihre vermeintlichen Datenschätze in entsprechende Ertragsströme umzumünzen). Der Vergleich mit einem Loyalty-Spezialisten, der sich von den Endkunden eine sehr extensive Datennutzung explizit einräumen lässt, hinkt deshalb doch gewaltig.
Und, klar, was den zweiten Datenpunkt angeht: In Umfragen sind Menschen gern mal bessere Menschen, die sich zum Beispiel den Schutz der Umwelt oder – wie man jetzt weiß – auch den Schutz ihrer Daten erstaunlich kosten lassen würden. Indes: In aller Regel klaffen zwischen der in solchen Befragungen ermittelten und der tatsächlichen Zahlungsbereitschaft große Lücken. Ob der durchschnittliche Bankkunde da draußen also wirklich 20 Euro, 30 Euro oder sogar 108 Euro im Jahr zahlen würde, wenn dafür die bei Zahlungsvorgängen anfallenden Daten gelöscht würden? Puuuh, steiler Gedanke!
Und so bleibt am Ende der Eindruck, dass die Bundesbank vielleicht ein klein bisschen biased an die ganze Sache herangegangen ist. Zumal die Untersuchung nicht nur pro Bargeld, sondern auch pro domo argumentiert. Denn an gleich mehreren Stellen gelingt ein bemerkenswerter Schwenk zum Lieblingsprojekt vieler Notenbanker, dem digitalen Euro. Zitat: Die „vergleichsweise hohen Kosten der Datenpreisgabe“ bei unbaren Zahlungsmitteln „bestätigen Bemühungen des Eurosystems, Verbraucherinnen und Verbrauchern mit dem digitalen Euro ein möglichst datensparsames digitales Angebot zu unterbreiten“.
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* Anmerkung: Formal handelt es sich um einen Aufsatz, deren „Ausführungen (…) nicht zwangsläufig der Position der Bundesbank entsprechen“, wie Bundesbank-Vorstand Burkhard Balz im Vorwort zur Studie erklärt. Gleichwohl entstand die Studie „im Auftrag der Bundesbank“ und wurde von ihr auch via Pressenotiz verbreitet.
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