Analyse

Zinswende? Nicht nur! Wieso unsere Banken so profitabel sind – und wo Gefahren lauern

Natürlich könnten wir es uns jetzt leicht machen. Also, Frage: Warum sind unsere Banken momentan so profitabel? Antwort: Na, wegen der Zinswende natürlich! Siehe die Commerzbank. Zinsüberschuss 40% rauf im ersten Quartal. Oder die DKB, wo es sogar 97% waren. Und, noch so eine tiefschürfende Erkenntnis: Es hat (jetzt kommt’s!) natürlich auch damit zu tun, dass die meisten hiesigen Banken – Krisen und Kriege hin oder her – weiterhin erstaunlich wenig Risikovorsorge bilden. Oder selbige sogar auflösen, wie die ING Diba (per saldo 17 Mio. Euro im Q1). Ist also alles ganz einfach? Mehr Zinsen, weniger Vorsorge?! Ja, ist es. Und nein, ist es nicht.

Denn einerseits sind die beiden Erklärungen natürlich wesentlich, um zu verstehen, warum die deutschen Banken ihre Ergebnisse von Januar bis März nochmals merklich hochgefahren haben. Andererseits zeigt unsere Auswertung der Q1-Zahlen von Deutsche Bank, Commerzbank, HVB, BayernLB (inkl. DKB), NordLB, OLB sowie Aareal und PBB allerdings auch: Es gibt weitere Erklärungen für die gegenwärtige Perfomance der deutschen Kreditwirtschaft – etwa die Kosten, die bei sieben der neun genannten Institute erstaunlicherweise (trotz Inflation!) kaum gestiegen oder gar gesunken sind.

Alles in allem haben wir fünf dieser nicht ganz so offensichtlichen Trends ausgemacht (neben drei positiven auch zwei negative).

Bitte schön:

1.) Die Kostendisziplin ist erstaunlich hoch

Ihre Kosten hatten Deutschlands Banken in den vergangenen Jahren kaum im Griff. Allein im Jahr 2021 kletterten sie um 5 Mrd. Euro auf ein Rekordhoch von kumuliert 92 Mrd. Euro. Dabei verteilte sich der Anstieg zu annähernd gleichen Teilen auf zusätzliche Personalaufwendungen und Sachkosten – und war über fast alle Bankengruppen hinweg zu beobachten. Da läge jetzt ja der Schluss nahe, dass Institute, die seit rund eineinhalb Jahren massiv von der Zinswende profitieren, eine immer höhere Inflation wie auch steigende Erträge erleben, es mit den Kosten noch weniger genau nehmen als zuvor schon.

Zumindest im ersten Quartal ist davon allerdings nichts zu sehen. Im Gegenteil: Unter den Instituten mit quartalsweiser Berichterstattung dominiert die Disziplin. So stiegen die Kosten bei großen Akteuren wie BayernLB, Deutsche Bank und Commerzbank maximal um 2%, während sie bei den Kosten-Fanatikern der Hypo-Vereinsbank sogar um 6% zurückgingen und auch bei der NordLB um 3% fielen. Ausreißer sind die Gewerbeimmobilien-Finanzierer Aareal und PBB mit einem Plus von 30% respektive 9%, wobei die Aareal ihren exzessiven Kostenanstieg plausibel begründen kann (Restrukturierung der Tochter Aareon; massive Ausweitung des Geschäfts geplant). Ebenfalls aus dem Rahmen fiel die ING Deutschland mit einem Kostenanstieg von 7% .

Klar ist: Beim Gros der Banken aus dem Sparkassen- und Genossenschaftssektor dürfte das anders aussehen. Diese haben auch aus tariflichen Gründen weniger Möglichkeiten als die Großbanken, der allgemeinen Teuerung etwas entgegenzusetzen. Die ersten Indizien geben jedoch keinen Anlass zur Sorge, dass die Banken im Angesicht des sehr guten Umfelds (steigende Zinsen, in der Breite weiter sehr überschaubare Risikovorsorge) den Schlendrian einkehren lassen. Im Gegenteil: Viele Institute scheinen nun von ihren – noch in Zeiten der Nullzinsen gestarteten – Restrukturierungs-Maßnahmen zu profitieren.

Hier eine Übersicht, sortiert nach der relativen Veränderung (von schlecht nach gut):

Kosten im 1. Quartal, in Mio. Euro

Q1 2023 Q1 2022 Delta (absolut) Delta (relativ)
Aareal Bank 199 153 46 30%
PBB 58 53 5 9%
ING Deutschland 374 350 24 7%
Commerzbank 1.464 1.438 26 2%
Deutsche Bank 5.457 5.377 80 1%
BayernLB (inkl. DKB) 402 402 0 0%
OLB 59 59 0 0%
NordLB 225 233 -8 -3%
Hypo-Vereinsbank 609 645 -36 -6%

Quelle: Unternehmensangaben

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2.) Sinkende Pflichtbeiträge stützen (fast) überall die Profitabilität

Das Gestöhne über steigende Pflichtabgaben gehört bei Banken wie Verbänden seit Jahren zum guten Ton. Und die Bankenabgaben, die von vielen Instituten im ersten Quartal auf einen Schlag, sprich fürs ganze Jahr entrichtet werden, stiegen ja tatsächlich lange Zeit. Die nach der Finanzkrise 2008/2009 erst national, dann auf europäischer Ebene eingeführten Sicherungstöpfe mussten gefüllt werden, später riss die Pleite der Greensill Bank ein Loch in die Einlagensicherung der privaten Banken, das ebenfalls über steigende Beiträge gefüllt werden musste.

Nun aber wendet sich das Blatt – und zwar grundsätzlich. Nicht nur winken den hiesigen Banken womöglich Rückzahlungen aus einem alten System der nationalen Bankenabgabe (für Details siehe hier). Vor allem sinken die Pflichtabgaben plötzlich auf breiter Front, weil nun auch der europäische Fonds zur Abwicklung maroder Institute beim Brüsseler Single Resolution Board (SRB) sich seiner Zielhöhe von einem Prozent der gedeckten Einlagen – konkret: einer Summe von rund 80 Mrd. Euro – nähert. Dass viele Institute inzwischen sinkende Einlagen verzeichnen, trägt seinen Teil dazu bei.

In Zahlen: Zusammen wendeten die Banken unserer Q1-Stichprobe 442 Mio. Euro weniger auf als noch vor einem Jahr – ein Minus von 27%. Allein bei der Deutschen Bank beträgt die Entlastung 257 Mio. Euro, bei der Commerzbank sind es 87 Mio. Euro, und fortan dürften die Zahlen auch dauerhaft deutlich geringer ausfallen als bisher. Was einige Banken bereits dazu gebracht hat, Hochrechnungen darüber anzustellen, wie das Quartal denn gelaufen wäre, wenn sie die (nun niedrigeren) Pflichtbeiträge gleichmäßig über das Jahr verteilt hätten. Das wenig überraschende Ergebnis: Natürlich wären die Zahlen deutlich höher, sprich besser ausgefallen. Die Deutsche Bank wäre so nach eigener Darstellung bereits im ersten Quartal bei 10% Eigenkapitalrendite und nur noch 67% Cost-Income-Ratio gelandet, die OLB bei 17,5% (statt 15,5%) Eigenkapitalrendite.

Hier eine Übersicht, in diesem Fall sortiert nach der absoluten Veränderung (von gut nach schlecht):

Pflichtabgaben (Einlagensicherung und SRB), in Mio. Euro

Q1 2023 Q1 2022 Delta (absolut) Delta (relativ)
Deutsche Bank 473 730 -257 -35%
Commerzbank 260 347 -87 -25%
Hypo-Vereinsbank 185 244 -59 -24%
BayernLB (inkl. DKB) 86 118 -32 -27%
PBB 22 31 -9 -29%
ING Deutschland 47 51 -4 -8%
NordLB 68 67 1 1%
Aareal Bank 25 24 1 4%
OLB 15 11 4 36%
Summe 1.181 1.623 -442 -27%

Quelle: Unternehmensangaben

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3.) In der Konsumenten-Finanzierung braut sich was zusammen

Schon im Gesamtjahr 2022 wuchs der Markt für reine Konsumentenkredite nur noch um 2% auf damals 141 Mrd. Euro Volumen im Bestand. Deutlich vorsichtigere Ausblicke für dieses Geschäft fanden sich denn auch teilweise bereits in den 2022er Abschlüssen. „Eine anhaltende Inflation und höhere endgültige Leitzinsen könnten Verbraucherausgaben und Investitionen von Privatkunden dämpfen und zu einer Verringerung der Neukreditvergabe in der Konsumenten-Finanzierung und (…) bei privaten Hypotheken-Darlehen führen“, hieß es etwa im März im Geschäftsbericht der Deutschen Bank. Und beim genossenschaftlichen Konsumenten-Finanzierer Teambank war mit Blick auf die Inflation davon die Rede, dass aufgrund  „einer äußerst geringen Anschaffungs-Neigung (…) für die nächsten zwölf Monate von einer leicht fallenden Kreditnutzung auszugehen ist.“

Doch nun zeichnet sich in der für viele Banken lukrativen Nische der Konsumentenkredite immer klarer ein Einbruch ab. Zwar muss man dafür schon genauer hinsehen (während die Rückgänge im ungleich größeren Markt für Baufinanzierungen medial bereits gut ausgeleuchtet sind). Aber in den Q1-Zahlen ist er durchaus abzulesen. So berichtet die Commerzbank von einem Rückgang ihrer Konsumentenkredite um mehr als 10% auf nunmehr 3,4 Mrd. Euro (Vorjahresquartal: 3,8 Mrd. Euro). Die ING Deutschland hat in ihren „sonstigen Krediten“ (inklusive der Konsumentenkredite) zumindest eine Stagnation offen gelegt – bei 11,7 Mrd. Euro.

Auf Ebene der Bundesbankdaten zeigt das Neugeschäft im ersten Quartal einen recht klaren, bedenklichen Abwärtstrend: Im Januar sank es im Vergleich zum Vorjahresmonat um 5%, im Februar dann um 10% und im März schließlich um 14% – auf nur noch 8,8 Mrd. Euro Neugeschäft.

Der Rückgang hatte sich bereits in der quartalsweise stattfindenden Abfrage von Standards und Nachfrage in der Kreditvergabe (Bank Lending Survey des Euro-Systems) abgezeichnet: Seit dem vierten Quartal 2022 berichten immer mehr Banken von einem deutlichen Rückgang der Nachfrage zum Vorquartal bei Konsumentenkrediten, wie die Grafik zeigt. Basis dafür sind die Nettosalden, sprich der prozentuale Anteil der Banken, die von steigender bzw. sinkender Nachfrage nach Konsumentenkrediten berichten.

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4.) Ist das Ertragsniveau nachhaltig? Eher nicht

Ohne Frage: Zahlreiche Banken bewegen sich aktuell auf einem Rentabilitätsniveau, das noch vor zwei Jahren undenkbar schien. Jenseits der Leistung des jeweiligen Managements sind dafür vor allem die Zinswende und eine extrem niedrige Risikovorsorge hauptverantwortlich. Auffällig ist: Die Q1-Zahlen bewegen sich in der Regel meist mindestens auf, teils sogar über dem Niveau, das die Banken selbst langfristig in Aussicht stellen.

Die Deutsche Bank wäre (wenn wir in Sachen Abgaben einmal das Auge zudrücken würden, siehe den Exkurs oben) schon heute bei ihrem 2025er Ziel von 10% Eigenkapitalrendite angelangt. Die OLB läge bei gleicher Argumentation mit 17,5% bereits über ihrem Zielkorridor von 14 bis 16%. Schon weiter ist die Unicredit Deutschland, die mit einer Eigenkapitalrendite von 19,5% auch so bereits über dem liegt, was der Mutterkonzern seinen Aktionären langfristig versprochen hat und entsprechend von der Tochtergesellschaft erwartet. Ähnlich die ING Deutschland, die mit 17,5% Eigenkapitalrendite immerhin auf dem Level liegt, was der Konzern für sie anpeilt.

Allein: Dass die Banken dieses sehr hohe Rentabilitätsniveau verstetigen können, ist unwahrscheinlich. Zwar lässt sich der kommende Bedarf in der Riskovorsorge kaum abschätzen, dafür sind die konjunkturellen Aussichten zu ungewiss. Als sicher kann allerdings gelten, dass die Zinsergebnisse nicht mehr so dynamisch wachsen können, weil

  • die EZB möglicherweise schon im Juni die letzte Zinserhöhung vornimmt,
  • sich die ersten Anzeichen mehren, dass in die Einlagen als solche und auch in die darauf zu leistenden Zinsen richtig Bewegung hineinkommt (dafür liefert vor allem die Commerzbank mehrere Hinweise, siehe Punkt 1 unserer Analyse hier), und
  • sich mithin die Zinslage insgesamt etwas eintrübt – bei den Neukrediten können immer schwerer höhere Zinsen durchgesetzt werden (sei es aus Wettbewerbsgründen oder weil die allgemeine Nachfrage nach Krediten schwächelt), während bei Einlagen etwas mehr gezahlt werden muss.

Natürlich kommt diese Entwicklung einem Luxusproblem gleich, zumal sie ganz im Sinne der Aufseher sein dürfte. In einen möglichen nächsten Abschwung (den die zuletzt allenfalls noch stagnierenden Kurse der Bankaktien allmählich schon einpreisen) gehen die hiesigen Banken auf jeden Fall – anders als früher – größtenteils von einem exzellenten Ergebnisniveau aus.

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5.) Vor allem das Firmenkundengeschäft treibt die Gewinne

Die in der Breite sehr starken Ergebnisse der hiesigen Banken im ersten Quartal haben einen gemeinsamen Nenner: einen deutlich höheren Ergebnisbeitrag aus dem Geschäft mit Firmenkunden, verglichen mit dem Vorjahr. Dieser fällt teils so stark aus, dass die bislang stärksten Sparten (bei der Deutschen Bank: das Investmentbanking) inzwischen – gemessen am Gewinn vor Steuern – bereits fast eingeholt oder gar (wie bei der Commerzbank das Privatkundengeschäft) schon überholt wurden.

Zugegeben: Die Datenbasis ist hier noch viel zu dünn, um allgemeine Aussagen über die Beiträge des Firmenkunden-Geschäfts im Gesamtjahr treffen zu können. Nur wenige Banken berichten überhaupt quartalsweise, und viele verfügen gar nicht über klar abgegrenzte Firmenkunden-Bereiche bzw. schlüsseln den Gewinnbeitrag nicht detailliert auf.

Allerdings ist die massive Gewinndynamik an sich kontrainuitiv, gelten Firmenkunden doch gemeinhin als zinssensibler als Privatkunden. Die Banken müssen bei ihnen somit schneller Zinserhöhungen auf der Einlagen-Seite weitergeben als bei den eher trägen Privatkunden. Die OLB präzisierte das in ihrem Quartalsbericht sogar: Demnach lag bei ihr das sogenannte "Einlagen-Beta" bei Privatkunden bei nur 9%, bei den Corporate-Kunden hingegen bei 25%. Diese Kennzahl besagt, wie groß der Anteil einer Zinserhöhung ist, den die Bank an ihre Einlagen-Kunden weitergeben muss, und je höher sie ausfällt, desto weniger vom Zinsgewinn kann die Bank für sich selbst abschöpfen.

Dass die Firmenkunden-Sparten dennoch derart massive Gewinn-Steigerungen zeigen, hat mehrere Gründe:

  • Eine wichtige Rolle spielen Basiseffekte – bei der ING Deutschland wie auch der Commerzbank war das Ergebnis im ersten Quartal des Jahres 2022 bedingt durch den Kriegsausbruch in der Ukraine negativ, bei der BayernLB nur knapp im positiven Bereich.
  • Die Banken berichten laut Bank Lending Survey im Firmenkunden-Geschäft von einem weniger starken Rückgang der Kreditnachfrage als im Privatkundengeschäft mit seinen Baufinanzierungen oder Kunsumentenkrediten. Eine mögliche Erklärung dafür wäre: Verbraucher können angesichts der Inflation Anschaffungen und Finanzierungen leichter aufschieben als Unternehmen, die unter Wettbewerbsdruck stehen.
  • Die Risikovorsorge ist reihum auf extrem niedrigem Niveau. So beträgt die kumulierte zusätzliche Risikovorsorge im Firmenkunden-Geschäft der Institute, die ihr Firmenkunden-Geschäft separat ausweisen – konkret: bei Deutscher Bank, Commerzbank, ING und BayernLB – minus 62 Mio. Euro, sprich es wurde netto Risikovorsorge aufgelöst, und das bei einem Kreditbuch von kumuliert mehr als 300 Mrd. Euro!

Wenn sich daher mit Blick auf 2023 eines festhalten lässt, dann vermutlich: Ein Firmenkundengeschäft zu haben, ist für die Ergebnisse aktuell eher hilfreich.

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