Von Heinz-Roger Dohms
Als wir im Februar (mit freundlicher Unterstützung der Personalberatung Cribb) unsere große Fintech-Job-Studie erstellten, da war die Welt noch eine andere. Fast 1700 Jobs hatten hiesige Finanz-Startups damals ausgeschrieben (Ur-Fintechs wie Hypoport nicht mitgezählt), die Zeichen standen auf Boom, Boom und nochmal Boom. Was folgte, ist bekannt – nämlich Corona. Der Jobmarkt fror ein, etliche Fintechs stellten auf Kurzarbeit um, mancherorts kam es zu Entlassungen, einige wenige Anbieter zogen sich sogar vom Markt zurück.
Indes: Auch dieser Zustand war nicht von Dauer. Nach Boom und Bust befinden wir uns mittlerweile in einer Phase, in der viele Finanz-Startups wieder (vorsichtig) wachsen, während anderen der Corona-Schock weiterhin zu schaffen macht. Daneben wiederum gibt es auch solche, die (wenn man genau hinschaut) ihr Tempo schon vor Corona verlangsamt haben. Jedenfalls – auf Basis ihrer jeweils eigenen Linkedin-Präsenzen haben wir bei gut 100 ausgewählten deutschen Fintechs untersucht, wie sich über die vergangenen sechs bzw. zwölf Monate die Mitarbeiterzahl entwickelt hat.
Ist diese Methode perfekt? Nein, sicher nicht. Allerdings erschienen uns alternative Erfassungsmethoden nicht unbedingt sinniger. Gleichwohl finden Sie – nach den wesentlichen Erkenntnissen und den Tabellen mit den größten Job-Schaffern und Job-Abbauern und der Tabelle mit den 100 größten deutschen Fintechs – weiter unten noch ein paar methodische Anmerkungen.
Die wesentlichen Erkenntnisse
[Anmerkung: Punkt 6 wurde nachträglich um die Stellungnahme von Deposit ergänzt, Punkt 14 wurde nachträglich hinzugefügt]
- Das große Job-Massaker ist ausgeblieben. Für jene 70 Fintechs, bei denen sich die heutigen Zahlen mit denen aus dem April vergleichen lassen, zählt Linkedin exakt 10.041 Mitarbeiter, das sind sogar fast 300 mehr als vor sechs Monaten. Gleichwohl: Wie weiter unten in den “methodischen Anmerkungen” erläutert, vermuten wir, dass die realen Zahlen etwas schlechter sind als die von Linkedin ermittelten. Darum würden wir aus dem Bauch heraus eher davon ausgehen, dass die Beschäftigtenzahl sektorweit in etwa gleichgeblieben ist.
- Bei N26 geht’s eindeutig runter, und zwar auf 6-Monats-Sicht um 136 Mitarbeiter und auf 12-Monatssicht sogar um 141 Mitarbeiter. Heißt: Schon vor Corona scheint N26 nicht mehr gewachsen zu sein.
- Dagegen wächst Sumup – jedenfalls laut Linkedin – geradezu unaufhaltsam und deutlich stärker, als wir das zumindest für die Corona-Zeit erwartet hätten (siehe auch weiter unten die “methodischen Anmerkungen”).
- Bis auf Getsafe und Friday gehören die Insurtechs (Simplesurance, Coya, Ottonova, Element) nahezu geschlossen zu den Job-Abbauern der letzten Monate. Mag daran liegen, dass es gerade die Versicherungs-Fintechs waren, die in den 1-2 Jahren zuvor im Zuge großer Funding-Runden aufgestockt haben. Mag aber auch daran liegen, dass die “Corona bringt den ultimativen Digitalisierungsschub”-These bezogen auf das Versicherungswesen möglicherweise zu hinterfragen ist. Dazu passt ja auch, dass die Insurtechs mit der mutmaßlichen Ausnahme von Getsafe seit Corona nicht wirklich groß gefundet haben (die Finanzierung für Element war eher so mittelimposant)
- Ein Segment, dass eindeutig (und wenig überraschend) unter Corona zu leiden scheint, sind die Kredit-Fintechs. Auf 6-Monats-Sicht geht’s mehr oder weniger bei allen runter, namentlich Funding Circle (siehe oben), Monedo (in der vorläufigen Insolvenz), Compeon, Auxmoney, Fincompare, Finiata (kein Neugeschäft in Deutschland mehr) und Creditshelf. Ausnahmen sind Lendico (wobei Lendico als ING-Tochter ein Sonderfall ist) und wieder mal Billie.
- Beim Hamburger Einlagen-Broker Deposit Solutions zeigen die Zahlen auffallend deutlich nach unten, und zwar nicht nur auf 6-Monats-Sicht, sondern sogar noch deutlicher auf 12-Monats-Sicht und sogar noch deutlicher auf 18-Monats-Sicht. Aktuell steht das Fintech auf Linkedin bei 195 Mitarbeitern, laut eigener Website hat Deposit dagegen “mehr als 300”, nach mündlicher Auskunft sind es “rund 300”. Das Unternehmen erklärt das Delta vor allem mit outgescourcten Arbeitskräften, die beispielsweise von Indien aus für Deposit arbeiten würden. Die Gesamtzahl von rund 300 Mitarbeitern (inklusive der outgesourcten Kräfte) sei abgesehen von kleineren Schwankungen seit langem relativ konstant.
- Beruhigend mit Blick auf unsere eigene Arbeit finden wir, dass Fintechs, denen wir in den zurückliegenden Monaten sehr positive Rezessionen gewidmet haben (Trade Republic, Mambu, Solarisbank, Scalable Capital, Qplix …) tatsächlich auch zu den größten Netto-Job-Schaffern seit Corona zu gehören scheinen.
- Überrascht hat uns ehrlich gesagt, dass Bitwala so stark zulegt (irgendwie waren wir da immer etwas skeptisch). Der bemerkenswerte Anstieg bei Getsafe kommt angesichts des Einstiegs von Swiss Re zwar einerseits nicht überraschend – andererseits hätte man das den Heidelbergern vor 2-3 Jahren eher nicht zugetraut. Mit Vorsicht zu genießen ist wie immer Naga.
- Starke Pferde im Finleap-Stall sind (abgesehen von der Solarisbank) erwartungsgemäß Elinvar und Pair Finance (und vermutlich auch Clark, allerdings gibt es hier ein methodisches Problem, siehe unten die “methodischen Anmerkungen”) …
- … wohingegen man bei Finleap Connect womöglich mal ein klein bisschen konsolidiert hat und Joonko vielleicht mal ein bisschen auf Sicht gefahren ist. Neben Joonko scheinen uns auch Iconic Finance (auch wenn’s netto weiterhin nach oben geht) oder auch Vanta Beispiele von jungen Fintechs zu sein, die ihre Ambitionen im Zuge von Corona vorübergehend ein wenig gezügelt haben könnten
- Raisin ist Raisin – nämlich ein Fintech, dass seinem guten Ruf auch in der Job-Analyse wieder gerecht wird
- Bei Crowddesk müssen wir uns wieder mal entschuldigen. Warum haben wir die eigentlich nie auf dem Zettel?
- Moonfare gilt es zu beachten, IDNow und Stocard sowieso
- NDGIT beschwert sich, in der Tabelle weiter unten als “Job-Abbauer” aufzutauchen. Statt Jobs abzubauen, habe man in den letzten Monaten sogar Stellen aufgebaut; und statt bei 32 Mitarbeitern (die es bei Linkedin sind) stehe man bei 46 Mitarbeitern. Die Diskrepanz erklärt NDGIT unter anderem damit, dass man den Fokus zuletzt eher auf IT-lastige Profile gelegt habe, “in denen Linkedin als Karriereseite keine so große Bedeutung hat wie etwa in Business Development”. Dass sich auch auf der Website von NDGIT nur 34 Mitarbeiter finden, wird damit begründet, dass man “aus Datenschutzgründen eine schriftliche und eindeutige Einwilligung der Mitarbeiter” benötige. “Einige unserer Mitarbeiter möchten das nicht.”
und jetzt endlich zu den Tabellen (alles Zahlen sind absolute Zahlen) …
1.) Die größten Job-Schaffer (links) und Job-Abbauer (rechts) seit April 2020
Sumup | 106 | N26 | -136 | |
Trade Republic | 94 | Funding Circle Deutschland* |
-32 | |
Mambu | 89 | Monedo* (Kreditech) | -31 | |
Solarisbank | 49 | Deposit Solutions | -16 | |
Getsafe | 30 | Smava | -15 | |
Scalable Capital | 24 | Simplesurance | -14 | |
Naga | 22 | Coya | -13 | |
ID Now | 20 | Finleap Connect | -12 | |
Optile | 18 | Payworks | -11 | |
Friday | 16 | Wefox | -10 | |
Stocard | 15 | Compeon | -9 | |
Lendico | 13 | Ottonova | -8 | |
Penta | 11 | Kapilendo | -8 | |
Moonfare | 11 | Element | -7 | |
Crowddesk | 11 | Auxmoney | -7 | |
Pair Finance | 11 | CollectAI | -6 | |
Qplix | 11 | Fincompare | -4 | |
Elinvar | 10 | Orderbird | -3 | |
Billie | 9 | Finiata | -3 | |
Tomorrow | 9 | Creditshelf | -3 | |
Iconic Finance | 9 | Ambidexter (Yunar) | -3 |
2.) Die größten Job-Schaffer (links) und Job-Abbauer (rechts) seit Oktober 2019
Sumup | 460 | N26 | -141 | |
Mambu | 166 | Funding Circle Deutschland GmbH | -43 | |
Trade Republic | 146 | Deposit Solutions | -38 | |
Solarisbank | 82 | Monedo (Kreditech) | -36 | |
Raisin | 64 | Coya | -24 | |
Lendico | 48 | Kapilendo | -17 | |
Getsafe | 41 | Simplesurance | -9 | |
Billie | 40 | Spotcap | -9 | |
ID Now | 39 | CollectAI | -7 | |
Scalable Capital | 35 | NDGIT (s.o. “Punkt 14”) |
-7 | |
Optile | 32 | Finleap | -6 | |
Iconic Finance | 32 | Orderbird | -5 | |
Crowddesk | 28 | Ottonova | -5 | |
Penta | 26 | Payworks | -5 | |
Friday | 26 | CAPiniside | -4 | |
Moonfare | 25 | Aevi | -3 | |
Naga | 24 | Compeon | -3 | |
Stocard | 23 | Gini | -3 | |
Elinvar | 22 | Fincite | -3 | |
Bitwala | 21 | Joonko | -2 | |
Creditshelf | 19 | Bonify | -2 | |
Tomorrow | 19 | Finiata | -1 |
3. Die nach Mitarbeitern 100 größten deutschen Fintechs (abgesehen von denen, die wir vergessen haben)
Sumup | 1838 |
N26 | 1411 |
Mambu | 403 |
Solarisbank | 348 |
Smava | 318 |
Raisin | 275 |
Monedo (Kreditech)* | 266 |
Deposit Solutions | 195 |
Wefox | 190 |
Trade Republic | 187 |
Aevi | 175 |
Auxmoney | 174 |
ID Now | 168 |
Lendico | 147 |
Finanzcheck | 143 |
Scalable Capital | 141 |
Finleap Connect | 140 |
Finleap | 138 |
Exporo | 136 |
Penta | 122 |
Billie | 116 |
Getsafe | 109 |
Element | 109 |
Simplesurance | 107 |
Naga | 100 |
Friday | 97 |
Moonfare | 96 |
Orderbird | 93 |
Ottonova | 92 |
Optile | 92 |
Elinvar | 92 |
Fino | 84 |
Friendsurance | 81 |
Crosslend | 79 |
Stocard | 78 |
Bitwala | 76 |
Compeon | 75 |
WebID | 72 |
Liqid | 72 |
Creditshelf | 71 |
Coya | 70 |
Fincompare | 69 |
Kontist | 65 |
Crowddesk | 63 |
CRX Markets | 62 |
Ambidexter (Yunar) | 57 |
Pair Finance | 56 |
Tomorrow | 54 |
Finiata | 51 |
Optiopay | 50 |
Spotcap | 48 |
Kapilendo | 48 |
Qplix | 46 |
Funding Circle Deutschland* |
45 |
Iconic Finance | 44 |
Gini | 43 |
Joonko | 41 |
CollectAI | 41 |
CAPiniside | 40 |
Modifi | 39 |
Finanzchef24 | 39 |
Companisto | 35 |
Bonify | 35 |
Traxpay | 34 |
FintecSystems | 34 |
finAPI | 33 |
NDGIT (s.o. “Punkt 14”) |
32 |
Fincite | 31 |
Payworks | 30 |
Ginmon | 29 |
Visualvest | 27 |
Zinsbaustein | 26 |
Debitos | 26 |
Treefin | 25 |
Volders | 24 |
Vexcash | 24 |
Moneymeets | 24 |
Bilendo | 23 |
Acatus | 22 |
Receeve | 20 |
Investify Tech | 20 |
Givve | 20 |
Bitbond | 20 |
Debtvision | 18 |
Seedmatch One Crowd | 16 |
Dwins (Finanzguru) | 16 |
Billfront | 16 |
Fundflow | 15 |
Bergfürst | 15 |
Authada | 15 |
Trustbills | 12 |
VC Trade | 11 |
Growney | 11 |
Nufin / Vanta | 9 |
BANKSapi | 9 |
WeAdvise | 9 |
Paymill | 8 |
Niiio | 8 |
Giromatch | 8 |
Finpair | 8 |
Methodische Anmerkungen:
- Zwar pflegen praktisch alle Fintechs eine eigene Linkedin-Präsenz. Allerdings können sie dort nicht einfach eine Mitarbeiterzahl angeben. Sondern: Linkedin addiert die Mitarbeiter, die sich auf ihren persönlichen Profilen als Beschäftigte ebenjenes Fintechs ausgeben. Will ein Fintech sich künstlich größer machen als es ist, geht das unserer Fantasie zufolge mithin nur über irgendwelche Formen von Fake-Profilen. Mag sein, dass es so etwas gibt, für extrem weit verbreitet halten wir es aber nicht.
- Natürlich werden nur solche Mitarbeiter erfasst, die bei Linkedin auch tatsächlich sind. Wir würden schätzen, dass das bei den meisten Fintechs zumindest auf 80-90% der Belegschaft zutrifft. Niedriger dürfte die Quote dort sein, wo eine signifikante Anzahl von Mitarbeitern tendenziell einfachere Tätigkeiten ausführt (-> Call-Center -> WebID Solutions). Wie kommen wir darauf? Nun: Unser Eindruck oder zumindest unser Vorurteil ist, dass sich solche Beschäftigten tendenziell weniger stark als “Professionals” sehen, die unbedingt auf Karriereportalen präsent sein müssen
- Wenn wir weiter oben schreiben, dass “Linkedin addiert”, dann müssten wir eigentlich klären, wer “Linkedin” in dem Fall denn eigentlich ist. Wir vermuten: Irgendein “Algorithmus” oder so irgendwas andere Maschinelles / Automatisches / Künstliches … jedenfalls: kein Mensch. Unser Eindruck ist, dass die Zählungen weniger fehleranfällig sind als noch vor 1-2 Jahren, aber beileibe nicht perfekt. Heißt zum Beispiel: Irgendein Aufsichtsrat oder Beirat wird gern mal mitgezählt, auch wenn er kein Beschäftigter des Unternehmens ist. Wir glauben aber nicht, dass die Verzerrungen, die durch solche Fehler entstehen, das Gesamtergebnis grob verfälschen
- Was Linkedin aber zum Beispiel nicht schafft: Die Mitarbeiter des Frankfurter Insurtechs Clark bei der Zählung von Mitarbeitern zu trennen, für Unternehmen arbeiten, die ebenfalls Clark heißen, aber mit dem Frankfurter Insurtech nichts zu tun haben. Darum haben wir Clark aus der Tabelle ausgeklammert. Nach eigenen Angaben hat der Online-Makler aktuell 238 Mitarbeiter – was auf 12-Monats-Sicht einem Zuwachs von 30% entspreche.
- Wir vermuten, dass die größten Verzerrungen dadurch entstehen, dass Mitarbeiter, die nicht mehr für ein Unternehmen arbeiten, allerdings auch noch keine neue Stelle angetreten haben, bei Linkedin erst einmal weiter so tun, als würden Sie noch für das Unternehmen arbeiten. Hierdurch – glauben wir – sehen unsere Ergebnisse insgesamt ein bisschen positiver aus, als sie es eigentlich sind. Das mutmaßlich prägnanteste Beispiel: Funding Circle stellte im Frühjahr sein Deutschland-Geschäft ein, trotzdem finden sich bei Linkedin immer noch 45 Funding-Circle-Deutschland-Mitarbeiter. Zwar gibt es tatsächlich noch Funding-Circle-Deutschland-Mitarbeiter – nämlich jene, die sich um das Altgeschäft kümmern. Aber dass das 45 sind, glauben wir eher nicht.
- Die allermeisten Ergebnisse erscheinen uns – gemessen am eigenen Bauchgefühl – plausibel. Ein ganz klein bisschen unwohl ist uns allerdings bei SumUp und Mambu, deren Wachstum wir nicht ganz sooooo stark eingeschätzt hätten
- Wir haben uns wie fast immer bei unseren Rankings auf Fintechs beschränkt, die seit 2010 gegründet wurden. Ausnahmen haben wir (wie ebenfalls fast immer) für Auxmoney und Smava gemacht
- Wir können nicht ausschließen, dass sich bei uns hier irgendein Fehler eingeschlichen hat. Sollte dies so sein, werden wir das korrigieren
- *Monedo befindet sich in der vorläufigen Insolvenz, Funding Circle Deutschland betreibt kein Neugeschäft mehr
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