von Christian Kirchner, 30. Juli 2023
In unserem Payment-Ticker finden Sie die Neuigkeiten rund um Zahlungsdienstleister, das Kartengeschäft der deutschen Banken und neue Geschäftsmodelle wie „Buy now, pay later“.
Hier der Ticker für Juli 2023:
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Das nächste große Ding? Da brauchte Markus Pertlwieser nicht lange zu überlegen. Man schrieb den Januar 2021. Pertlwieser war zu Gast in der allerersten Folge von „Finanz-Szene – Der Podcast“. Und der frühere Digitalchef der Deutschen Bank sagte also, was damals sehr viele Leute an der Schnittstelle von Banking, Fintech und Payment sagten – dass das nächste große Ding nämlich sogenannte „Decoupled Debitcards“ sein würden. Also Karten, bei denen die Beziehung zwischen Bank und Kunde dadurch „entkoppelt“ wird, dass die emittierende Bank nicht die Bank sein muss, bei der der Kunde sein Konto führt. Einer der Frontrunner war damals die Solarisbank, die gemeinsam mit Samsung eine der ersten entkoppelten Debitkarten überhaupt an den Markt brachte. Auch die Deutsche Bank sah großes Potenzial in der technischen Innovation – und lancierte (was damals auch als Showcase für die Gewinnung größerer Partner gedacht war) gemeinsam mit Eintracht Frankfurt die „Mainpay“-Karte. Die Idee begeisterte damals viele. Fintechs (wie Finanzguru oder Vantik), die über eigene Karten die Beziehung zum Kunden stärken wollten. Fußballklubs (neben der Eintracht zum Beispiel auch Union Berlin), die sich einen direkteren Zugang zu ihren Fans erhofften. Industrieunternehmen (wie Samsung), die auf neue Geschäftsfelder schielten. Es wirkte wie ein Musterbeispiel für die „Embedded Finance“-Revolution. Doch irgendwie – ist von alldem nicht so wahnsinnig viel übrig geblieben. Wieso nicht? Vom Scheitern einer Idee: FS Premium
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Dass die Tage der Amazon-Kreditkarte unter dem Dach der Landesbank Berlin gezählt sind – das steht ja bereits seit zwei Jahren fest (siehe hier). Doch nun scheint klar: Das Portfolio wird auch zu keiner anderen Bank mehr wandern. Wie nämlich aus einem dieser Tage verschickten Kundenanschreiben hervorgeht, will die LBB die Amazon-Kreditkarte spätestens im März 2024 einstellen. Von einer anderen Partnerbank ist keine Rede, auch nicht in einem gemeinsamen FAQ, dass der US-Konzern und das Berliner Geldinstitut diese Woche veröffentlichten. Im Umfeld von Amazon ist derweil lediglich von Arbeit an einem „neuen Produkt“ zu erfahren. Aber nicht davon, weiterhin einen neuen Co-Branding-Partner für die geschätzt gut 1 Mio. Kartenverträge zu suchen (nachdem entsprechende Gespräche mit diversen Banken erfolglos geblieben waren).
Konkret geht die Landesbank Berlin nun so vor, dass alle bestehenden Kartenverträge zum 30. September 2023 gekündigt werden. Zwar erhalten die Kunden das Angebot, die Laufzeit noch einmal um sechs Monate zu verlängern – aber nur, wenn sie kurzfristig einen Folgevertrag für eine „Visa Card Extra“ ab April 2024 abschließen. Der Clou dabei: Dieses neue Kartenprodukt der Berliner Sparkasse (also der formalen Niederlassung der LBB) hat lange nicht so vorteilhafte Konditionen wie die bisherige Amazon-Kreditkarte. Zunächst einmal kostet die Karte 19,99 Euro pro Jahr, zudem fallen 1,75% Auslandseinsatzgebühr sowie 3% Abhebegebühr an. Und: Die Karte wird mit einer Zwangs-Teilzahlungsfunktion ausgestattet, die nur unterbunden werden kann, indem ein dem Rechnungsbetrag entsprechendes Guthaben eingezahlt wird.
Klingt eher nicht so, als würde es die Landesbank Berlin darauf anlegen, möglichst viele Amazon-Kunden in ihr Ersatz-Produkt rüberzuziehen.
Die als „Gestalterbank“ firmierende Groß-Volksbank aus Villingen-Schwenningen (zu der ja auch die payment-vernarrte frühere „Volksbank in der Ortenau“ gehört) bleibt für Überraschungen gut. Anfang des Jahres hatten wir ja berichtet, dass das 11-Mrd.-Euro-Institut seinen Mehrheitsanteil an der Berliner Micropayment GmbH verkauft hat (Details siehe hier). Das bedeutet allerdings nicht, dass die nach Bilanzsumme fünftgrößte deutsche Volksbank ihr Faible für Bezahl-Lösungen aller Art verloren hätte. So vermelden die Villinger Genossen nun die Übernahme der Kasseler „Card4Vend“, eines Fintechs, das Lösungen für bargeldloses Bezahlen an Automaten entwickelt. Wahnsinnig groß ist die „Card4Vend“ zwar nicht (zuletzt geschätzte vielleicht zehn Mitarbeiter) – aber mit einem Überschuss von knapp 200.000 Euro in 2021 immerhin profitabel.
Sparkassen-Verlag ordnet Payment-Töchter neu – auf Kosten der „S-Public Services“
Frankfurter Innenstadt, die Shopping-Mall „My Zeil“, Ende Juni: Im Schnitt mehr als 50.000 Besucher schieben sich Tag für Tag durch den gläsernen Einkaufs-Tempel im Herzen der Banken-Metropole. Und mehr oder weniger alle müssen kurz hinterm Eingang an einem grünen Stand vorbei, an dem an diesem Vormittag ein junger Mann etwas anzubieten hat, was für einen ausgedehnten Shopping-Trip äußerst hilfreich sein kann – eine Kreditkarte nämlich. Und zwar eine richtige Charge-Kreditkarte. Gebührenfrei. Mit wahlweise „bis zu 2.000 Euro Sofortauszahlung“ oder „bis zu 2.500 Euro Verfügungsrahmen“, wie in fetten Lettern informiert wird. Die kleine Szene führt mitten hinein in einen eher schummrigen Winkel des deutschen Bankings. Denn: Die Karte als solche mag zwar kostenlos sein. Der mit ihr verbundene Kredit allerdings ist es naturgemäß nicht – und schon gar nicht ist er das in diesen Wochen, wo die effektiven Zinssätze bei Kreditkarten mit Teilzahlungs-Funktion auf 20% und mehr in die Höhe schießen. Und so steht man als Branchenbeobachter vor einem zumindest scheinbaren Widerspruch: Wie kann es sein, dass sich auf der einen Seite diverse Banken aus dem Kreditkartengeschäft (zumindest aus dem „co-gebrandeten“) zurückziehen – und auf der anderen Seite an grellen Verkaufsständen wie dem in der „My Zeil“ Geschäfte angebahnt werden, die offenbar zu wahren Traumrenditen führen. Aus aktuellem Anlass (siehe am Freitag unsere Analyse zum sich anbahnenden deutschen Barclays-Deal) ein paar Beobachtungen: FS Premium
Nur 500 Mio. Euro??? Warum der deutsche Barclays-Deal deutlich fetter werden könnte
… dass die VR Payment (also die Payment-Tochter der DZ Bank) und Eintracht Frankfurt (also der Fußballverein, dem sich ausnahmslos alle Frankfurter Bankmanager seit Jahr und Tag und durch alle Krisen hindurch ganz innig verbunden fühlen) ihre Partnerschaft „verlängern“ und „ausbauen“? Erstaunlich, erstaunlich – zumal sich die Genossen nicht mehr nur als „exklusiver Payment Service Provider“ der Eintracht ausgeben dürfen (die Hintergründe dazu finden Sie in unserem Archiv), sondern auch „die Digitalisierung des Stadionerlebnisses“ und „die Vernetzung von Fans, Handel und Dienstleistungs-Unternehmen über die Eintracht-App Mainaqila“ vorantreiben sollen. Kurze Frage: Heißt das Stadion nicht eigentlich „Deutsche Bank Stadion“? Und gab es zwischen der Deutschen Bank und Eintracht Frankfurt nicht mal ein digitales Vorzeigeprojekt namens „Mainpay“? Zwei Payment-Partner, kein Mittelstürmer – darauf läuft’s zum Saisonstart aber doch hoffentlich nicht hinaus, oder?
Die Deutsche Bank treibt ihre Offensive im einheimischen (und endkundennahen) Transaktionsgeschäft voran. Nach der Rückkehr ins „Merchant Solutions“-Business (siehe hier) sowie den Fintech-Kooperationen mit Trade Republic (hier) und Moss (hier) hat sich das größte hiesige Geldinstitut nun ein veritables Prestigemandat gesichert – nämlich das Issuing der „Miles & More“-Kreditkarten der Lufthansa. Zwar ist unklar, wie viele der Karten im Umlauf sind (vor zehn Jahren waren es rund 600.000; inzwischen dürften es etwas weniger sein). Anders als andere Co-Branding-Portfolien gilt „Miles & More“ allerdings aus Bankensicht als hochattraktiv. Weil: 1.) Die Nutzer gelten als zahlungsfreudig; und 2.) Bei vielen dieser Nutzer handelt es sich im Geschäftskunden – bei denen keine Interchange-Deckelung greift. Für den bisherigen Co-Branding-Partner der Lufthansa, nämlich die DKB, dürfte der Verlust des Portfolios ein harter Schlag sein. Die BayernLB-Tochter hatte zuletzt schon die BMW-Karte an American Express verloren. Nun bleibt sie zurück mit zwei Winz-Portfolien, nämlich Porsche und Hilton.
… monothematisch zur geplanten PSD3-Richtlinie:
Warum Kartenbetrug für unsere Banken neuerdings ein massives Problem ist
… dass die National-Bank Essen bei „Apple Pay via Girocard“ auf durchaus nennenswerte Konversionsraten kommt? Wie ein Vertreter des Instituts dieser Tage beim Branchen-Treff „DK Info“ skizzierte (wo wir professionshalber auch zugegen waren), haben seit dem Launch im April schon 18% der Apple-Nutzer unter den eigenen Kunden das neue Angebot aktiviert. Der Wettbewerb dürfte die Entwicklung mit Interesse verfolgen – schließlich ist die National-Bank die erste Privatbank überhaupt, die auf „Apple Pay via Girocard“ setzt (bekanntlich in Partnerschaft mit dem Bank-Verlag, siehe unsere Berichterstattung hier).
Zuletzt klang es ja immer so, als hätten die privaten Banken zwar noch keinen Maestro-Nachfolger im Angebot – aber bald.
Bei der Norisbank allerdings (immerhin eine Deutsche-Bank-Tochter) klingt es eher so, als könnte sich das „Bald“ noch ganz schön lange hinziehen. Sie diese Kunden-Mail hier von Anfang Juli:
Sehr geehrter Herr Xxxxxx,
bestimmt haben Sie es schon aus den Medien gehört: „Maestro-Funktion wird abgeschafft!“.
Das Wichtigste vornweg:
Für Sie als Norisbank-Kunden bleibt erstmal alles beim Alten – Sie brauchen nichts weiter tun.
Maestro-Aus? War da was?
Wenn die Bank verliert: Goldman Sachs will angeblich die Partnerschaft mit Apple Card beenden; übernehmen könnte American Express. WSJ (Paywall), CNBC
Payone schließt Sparte, Banken fummeln bei Maestro: Alle Payment-News aus dem Juni
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