Analyse

Einlagen-Mirakel bei Sparkassen: Warum steigt mancherorts die Depositenbasis?

Es war eine Nachricht, fast zu (rosa-)rot, um wahr zu sein: Die Sparkassen in Baden-Württemberg haben ihren Einlagenbestand per 30. Juni nicht nur verteidigt, sondern sogar um erstaunliche 2% auf 169 Mrd. Euro ausgebaut (wobei einem minimalen Abfluss im Retailgeschäft ein wahrnehmbarer Zufluss durch Firmenkunden gegenüberstand). Frage: Kann das wird wirklich sein?

Denn: War nicht an anderer Stelle (nämlich schon vor Wochen bei uns hier) zu lesen, dass die Sparkassen zuletzt in beträchtlichem Umfang Einlagen verloren haben? Und ist nicht genau das auch logisch, wenn man bedenkt, dass da draußen seit Monaten ein heftiger Zinswettbewerb tobt, an dem sich die Sparkassen eher weniger beteiligen (während, wie letzte Woche berichtet, die ING Diba im zweiten Quartal verrückte 16 Mrd. Euro an frischen Depositen eingesammelt hat)?

Kurzum – die Antwort lautet: Ja, was die BaWü-Sparkassen da erzählen, stimmt tatsächlich. Jedenfalls dann, wenn man es 1.) so rechnet, wie es die Sparkassen eben rechnen. Und wenn man sich 2.) vor Augen führt, dass die baden-württembergischen Sparkassen eben nicht die bundesweiten Sparkassen und offenbar auch nicht repräsentativ für die Gruppe sind. Wir haben die Dinge darum einfach mal aufgedröselt. Warum gewinnen manche Sparkassen immer noch Einlagen, während gruppenweit das glatte Gegenteil der Fall ist? Unsere Analyse:

Bitte sehr:

  1. Die von den baden-württembergischen Sparkassen vermeldete Steigerung der Einlagen bezieht sich auf den Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2022. Würde man als Vergleichsmaßstab den Stand per Ende letzten Jahres anlegen, kämen man auf einen Abfluss im Umfang von 0,2%.
  2. Dass es nur 0,2% sind, mutet im aktuellen Umfeld freilich trotzdem fast sensationell an. Steigen wir deshalb tiefer hinein in die Zahlen – und stellen fest: Die wesentliche Verschiebung in der Depositenbasis der BaWü-Sparkassen vollzieht sich nicht zwischen Privatkunden und Firmenkunden. Sondern: Entscheidend ist die Unterscheidung zwischen den „Spar- und Sichteinlagen“ auf der einen sowie den „Termineinlagen und Eigenemissionen“ auf der anderen Seite. Während erstere binnen zwölf Monaten um 15 Mrd. Euro abgesackt sind, haben sich letztere im gleichen Zeitraum um 17 Mrd. Euro grob vervierfacht (!).
  3. Bei „Spar- und Sichteinlagen“ (vulgo: auf Girokonten und Tagesgeldkonten) kommt es also tatsächlich zu jenem Abfluss, den man angesichts des Zinswettlaufs auch vermuten würde (irgendwo muss der 16 Mrd. Euro schwere Einlagenzufluss der ING Diba ja herstammen). Zugleich scheint es bei den BaWü-Sparkassen allerdings nicht nur Kunden zu geben, die Gelder abziehen – sondern vor allem Kunden, die ihre Geld umschichten. Nämlich, siehe oben, in „Termineinlagen“, vulgo: Festgeld. Sowie in „Eigenemissionen“, vulgo: Ähhh, was ist denn eigentlich mit „Eigenemissionen“ gemeint? Und sind das Einlagen???
  4. Wie sich der fulminante Zufluss von 17 Mrd. Euro auf „Termineinlagen“ einerseits und „Eigenemissionen“ andererseits verteilt, will der baden-württembergische Sparkassen-Verband nicht offenlegen. Unsere These wäre allerdings, dass es vor allem die „Eigenemissionen“ sind, die den Abfluss auf Giro- und Tagesgeldkonten kompensieren.
  5. Bei diesen „Eigenemissionen“ handelt es sich technisch gesehen um Inhaber-Schuldverschreibungen. Womit allerdings nicht die von Deka, LBBW oder Helaba emittierten Zertifikate gemeint sind, die seit Monaten von Sparkassen quer durch die Republik wie wild vertickert werden (siehe neulich unser Stück –> 3 Mrd. Euro pro Monat! Sparkassen vertreiben wie verrückt Zertifikate). Sondern: Es handelt sich tatsächlich um Schuldverschreibungen der jeweiligen örtlichen Sparkassen (das „Eigen“ vor den „Emissionen“ steht also für das Ortsinstitut, nicht um verbundeigene Player wie Deka oder LBBW).
  6. Noch mal gefragt: Sind das Einlagen? Antwort: Ja, kann man so definieren. Auch der DSGV tut das so. Und sogar die Bundesbank in ihren Einlagen-Statistiken (der BVR allerdings handhabt es interessanterweise anders).
  7. Die Sache ist nun allerdings die, dass die Bundesbank für die Sparkassen per Ende Mai verglichen mit dem Jahresultimo 2022 tatsächlich einen Einlagen-Abfluss in Höhe von 22 Mrd. Euro ausweist. Wie gesagt, nicht aufgrund definitorischer Abweichungen – denn die Definition von Einlagen ist ja bei der Bundesbank dieselbe. Vielmehr scheint es so zu sein, dass es da draußen Sparkassen gibt, denn es gelingt, die unvermeidliche Erosion der Spar- und Sichteinlagen durch die Emission eigener Schuldpapiere (die von ganz normalen Retailkunden gezeichnet werden) zu kompensieren. Aber eben auch Sparkassen, denen dieser Weg versperrt ist. Aus der S-Finanzgruppe heißt es, es seien vor allem  größere und/oder vertriebsstarke Kommunalinstitute, die derzeit das Geschäft mit den „Eigenemissionen“ voran treiben. Allem Anschein nach gibt es besonders viele von denen im reichen Baden-Württemberg.

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