von Heinz-Roger Dohms, 10. Dezember 2020
Stimmt schon: In der deutschen Fintech-Branche herrscht ein krasses Männer-Übergewicht. Was aber nicht bedeutet, dass das auf alle Zeiten so bleiben muss. In unserer Serie „Hier kommen die Fintech-Frauen“ stellt Finanz-Szene.de jeden Tag eine spannende Managerin oder eine aufstrebende Mitarbeiterin eines deutschen Finanz-Startups vorstellen. Heute, Teil XXII:
Eine der wenigen Fintech-Gründerinnen in Deutschland, mit langjähriger Erfahrung und mit weitreichendem Netzwerk in Fintech und E-Commerce. Zudem bin ich ein Beweis dafür, dass man als erfolgreiche Gründerin weder aus Berlin noch aus einer Unternehmerfamilie noch von der WHU oder EBS kommen muss.
Die letzten fünf Jahre habe ich Fino (eines der wenigen Fintechs, die zeigen, dass Fintech auch profitabel geht) als Mitgründerin, Gesellschafterin und Prokuristin mit aufgebaut: Von einem 1-Produkt-Ansatz (Kontowechselservice) zum breiten Produktportfolio mit den Geschäftsbereichen Fintech, Doctech und Regtech. Die letzten zwei Jahre habe ich meine Gründerinnenrolle ausgebaut und war zusätzlich als Geschäftsführerin für den Aufsatz, Launch und die Skalierung von Finux – einem der Fino-Ventures – verantwortlich. Dabei habe ich nicht nur das Produkt und dessen Wachstum, sondern auch die Außenwahrnehmung und damit die Positionierung von Fino und Finux maßgeblich geprägt.
Infolgedessen wurde ich gebeten, als Co-Host des FinTech Meetups Köln Bonn aufzutreten. Ebenso bin ich als Teilnehmerin der FinTech Ladies sowie Venture Ladies aktiv. Als Speakerin und Mentorin gebe ich mein Wissen in Podcasts, Webinaren und im 1:1 weiter. Zudem prüfe ich momentan meinen nächsten beruflichen Schritt.
Vorher habe ich gelernt, wie eine nicht ausreichend stringente Adaption der Digitalisierung das langjährige – bis dahin erfolgreiche – Geschäftsmodell des Versandhandels torpedierte. Das mit der Insolvenz von neckermann.de Gelernte nahm ich mit in die Beratung von Banken und Versicherungen. So kamen die Verknüpfung zur Fintech-Szene und die Fähigkeit und Energie, Fino zu gestalten.
Ich bitte um Verständnis, dass es meiner Meinung nach Sinnvolleres gibt als „Hätte-Wäre-Wenn“-Überlegungen, aus denen wir nichts lernen können.
Das Corona-Virus beflügelt volldigitale Lösungen und damit einige Fintechs. Andere Fintechs gehen derzeit durch ihr härtestes Training, ihre Geschäftsmodelle anzupassen.
Barzahlungen werden in diesem Zuge weniger und so entstehen noch mehr Daten für automatisierte Services. Die PSD2 (oder das was davon übrigbleibt) sowie der Erfolg von Solarisbank und Swan ebnen ebenso wie Open Payment-Lösungen (z.B. waevr.io) den “Jeder-kann-Bank-Services-anbieten”-Weg.
Zuletzt schaute ich mir “The Social Dilemma” an, sodass ich diesen Daten-Trend und seine möglichen Konsequenzen einmal mehr mit der nötigen Vorsicht beobachte. Umso sinnvoller, dass erste, für meine Begriffe handfeste Blockchain-Nutzungsszenarien (z. B. rund um Self-Sovereign Identity) valide Wege finden.
Zudem beobachte ich aus der Ferne Nachhaltigkeitsthemen wie die Signalwirkung der 3 Mio. Euro Crowdfunding bei Tomorrow oder die Entwicklung des Startups Ecolytiq, das an Transaktionen den ökologischen Fußabdruck anzeigt und somit einen Beitrag zum Bewusstsein leistet.
Es heißt immer wieder, „der Markt ist groß genug“. Trotzdem verfolge ich gespannt, wer sich unter den vielen Lösungsanbietern im Kundensegment der KMUs – insbesondere im Kreditkarten-Umfeld – als Sieger positionieren kann.
Das System, in dem die Fintech-Branche aufgewachsen ist, haben bisher mehrheitlich Männer gestaltet. Und die meisten Menschen bewegen sich gerne innerhalb der eigenen Komfortzone und umgeben sich – ob bewusst oder unbewusst – mit Gleichgesinnten (Mini-Me-Erfolgsprinzip). Der Wille, divers zu sein, schwindet häufig spätestens dann, wenn die eigene Meinung hinterfragt und das damit fälschlicherweise verbundene Ego sich angegriffen fühlt.
Wenn Deutschland nicht vom Rest der Welt abgehängt werden will, müssen wir endlich die wissenschaftlich belegten und dringend zu nutzenden Chancen der Diversität erkennen, “verdauen” und allseits fördern. Bis das in der Fläche angekommen ist, bewegt sich die weibliche Minderheit heute noch auf einem anstrengenderen nicht selten unmöglichen Karriereweg.
Lasst mich das salopp ausdrücken: Frauen werden oft als “Fremdkörper” wahrgenommen, wenn sie mitreden und mitentscheiden wollen. Fakt ist leider u. a. immer noch, dass sich zu wenige Männer hierzulande den mit Diversität einhergehenden Herausforderungen konsequent stellen.
Es gibt zu viele Personen, die behaupten, Diversität zu fördern, es de facto aber nicht tun. Deshalb brauchen wir die verbindliche Quote für Vorstand und Geschäftsführung.
Zudem beschleunigen starke Initiativen die Anerkennung von Diversität. Tolle Beispiele hierfür sind unter anderem die “#ichwill”-Kampagne für eine Frauenquote, #stayonboard für die temporäre Mandatspausierung, der “FeMale Leadership Podcast” oder auch die “Masterclass for Women” von Angela Hornberg. Ebenso bringen uns Tools wie das von AboveBoard voran. Das ist ein US-amerikanisches Startup, das Diversität bei Einstellungen auf Vorstands- und Führungslevel via einer Plattform unterstützt.
Wenn wir uns alle mehr mit den Menschen außerhalb unserer Komfortzone beschäftigen, wird uns das bereichern.
Für die nachhaltigste Änderung halte ich, dass wir als Gesellschaft Abstand von geschlechtsspezifischer Erziehung und Bildung nehmen. Lasst uns Mädchen häufiger den Tipp „Mutig statt perfekt“ mitgeben und sie damit – wie bei Jungen heute schon – für Mut belohnen.
Neben meiner eigenen aktiven Auseinandersetzung mit Diversität unterstütze ich junge Gründer/innen als Mentorin. Ich will, dass sie das heutige System nicht als 1:1-Vorlage sehen, sondern ein diverses Umfeld der Zukunft gestalten.
Das sind die Top-100-Frauen in der Finanzbranche, die mich – jede Einzelne in ihrer eigenen Disziplin – inspirieren (alphabetische Reihenfolge):
1. Dr. Kerstin Altendorf 2. Dr. Katharina Barzagar Nazari 3. Carolin Beese 4. Caroline Bell 5. Iris Bethge-Krauß 6. Anne Boden 7. Mashal Bösch 8. Noor van Boven 9. Sarah Brockhoff 10. Christina Cassala 11. Susanne Chishti 12. Karolina Decker 13. Laura Deneke 14. Wiebke Drescher 15. Andrea Dunlop 16. Jennifer Dussileck 17. Julia Fässer 18. Elisa Fischer 19. Sabrina Flunkert 20. Lea Frank 21. Jane Fraser 22. Verena Freyer 23. Carolin Gabor 24. Eva Genzmer 25. Sonja Grave 26. Mirjam Güler 27. Frauke Hegemann 28. Liesa Heidl 29. Beate Hofmann 30. Jessica Holzbach 31. Angela Hornberg 32. Caroline Jenke 33. Cristina Junqueira 34. Christina Kehl 35. Christine Kiefer 36. Kim Klemke 37. Jana Koch 38. Delia König 39. Susanne Krehl 40. Susanne Leiding 41. Johanna Maria Leiner 42. Inna Leontenkova 43. Luise Linden 44. Katharina Lueth 45. Anna Maj 46. Nicole Mantow 47. Neha Mehta 48. Ulrike Moritz 49. Nicole Nitsche 50. Sofia Nunes 51. Yasmin Osman 52. Aysel Osmanoglu 53. Maria Pennanen 54. Laura Pfannemüller 55. Elisabeth Pollner 56. Pavlina Popova 57. Salome Preiswerk 58. Nina Kristin Pütz 59. Martina Raabe 60. Manuela Rabener 61. Solveig Rathenow 62. Elina Räsänen 63. Stella Regna 64. Dr. Daniela Reimann 65. Andrea Rexer 66. Lea Roser 67. Dr. Birte Rothkopf 68. Deborah Ruff 69. Corinna Sander 70. Nicole Schepanek 71. Nicole Scheplitz 72. Juliane Schmitz-Engels 73. Katharina Schneider 74. Friderike Schröder 75. Dr. Lea Schröder 76. Cornelia Schwertner 77. Marie-Louise Seelig 78. Anna Seidl 79. Birte Sewing 80. Olga Shikhantsova 81. Dr. Lea Maria Siering 82. Ekaterina Sirotyuk 83. Natalie Staniewicz 84. Bettina Stark 85. Lena M. Stork 86. Birgit Storz 87. Sibylle Strack 88. Verena Thaler 89. Julia Tschawdarow 90. Maureen Verbraeken 91. Kristina Walcker-Mayer 92. Agnieszka Maria Walorska 93. Alexandra Weck 94. Natascha Wegelin 95. Tabea Weinmann 96. Inka Winter 97. Sabrina Winter 98. Miriam Wohlfarth 99. Leah Marie Zeppos 100. Tanja Müller-Ziegler