Exklusiv

Reform der Sicherung: BVR will rebellische Volksbanken bändigen

Volks- und Raiffeisenbanken mit einem gewissen Eigensinn gibt es ja etliche da draußen. Etwa die Schmalkaldener, die ihr Heil unter anderem in Fußballkrediten und allerlei eher bankfernem Geschäft suchen. Oder die Heilbronner, die sich vor ein paar Jahren mit Swap-Geschäften massiv verspekulierten. Oder die Raiba Hochtaunus, die im großen Stil gewerbliche Immobilienfinanzierung betreibt.

Lange Zeit hat der genossenschaftliche Verbund diesen Umtrieben eher machtlos zugesehen. Nun allerdings setzt der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken nach Informationen von Finanz-Szene zur Reform seiner Sicherungs-Einrichtung an. Ein Ziel dabei (auch wenn das so nicht explizit gesagt wird): Der BVR will Mitgliedsbanken auf Abwegen leichter an die Kandare nehmen und Risiken im Verbund besser steuern können.

Ein entsprechendes Rundschreiben mit Vorschlägen zu den angestrebten Änderungen hat der Verband vergangene Woche an die rund 770 Genobanken hierzulande versandt. Daniel Quinten, seit gut einem Jahr BVR-Vorstand und zuständig für die Sicherungs-Einrichtung, bestätigte den Vorgang auf Anfrage von Finanz-Szene. Es gehe darum, das System „noch zukunftssicherer zu gestalten und weiterhin das Vertrauen der Einleger in die Bonität der genossenschaftlichen Finanzgruppe zu sichern.“

Doch was sagen die Vorschläge konkret? Hier die aus unserer Sicht wichtigsten Aspekte:

1.) Die fünf entscheidenden Änderungen auf einen Blick

  • Die Sicherungs-Einrichtung soll bei Primärinstituten rascher als bisher mit Hilfe externer Prüfer intervenieren können. Wehrt sich ein Institut, dauert es derzeit oft länger als ein Jahr, bis eine solche Sonderprüfung durchgesetzt ist, heißt es im BVR. Da wolle man einfach schneller werden.
  • Schon jetzt erhebt der Verband eigene Informationen über einzelne Banken. Daneben will der BVR in Zukunft auch Erkenntnisse aus Sonderprüfungen der Bafin nutzen dürfen. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) regte im Sommer einen stärkeren Informationsfluss zwischen Sicherungs-Einrichtungen und Aufsicht an – allerdings in umgekehrter Richtung: Die Bafin soll die Informationen der Sicherungs-Einrichtungen von Sparkassen und Genossen nutzen, hieß es im Financial Sector Assessment Programm Germany des IWF.
  • Ändern lassen will der BVR zudem die Regeln für eine Sanierung von Instituten. Da ist grundsätzlich vorgeschrieben, dass der jeweilige Regional- und Prüfungsverband eine erste Analyse vornehmen soll, ob ein Sanierungsfall vorliegt. Im Falle vereinzelter Genobanken aber, die sich einen Prüfer außerhalb des BVR gesucht haben, sind den Regional- und Prüfungsverbänden bislang die Hände gebunden.
  • Eine geplante Änderung mit besonderer Sprengkraft: Die mit Prüfungen verbundene Vertraulichkeitspflicht soll künftig nicht nur für die Sicherungs-Einrichtung, die Aufsicht sowie den jeweiligen Prüfungsverband gelten, sondern auch für die betroffene Bank selbst. Dies dürfte nicht zuletzt auf die VR-Bank Bad Salzungen Schmalkalden gemünzt sein, die sich den Vorgaben von BVR und Finanzaufsicht schon seit geraumer Zeit widersetzt – auch öffentlich, siehe beispielsweise hier.
  • Zu guter Letzt will die Sicherungs-Einrichtung die finanziellen Beiträge der Mitgliedsinstitute stärker anhand des Risikos ausrichten: Häuser mit geringen Risiken in der Bilanz sollen weniger zahlen als bisher, Banken mit hohen Risiken mehr. Das Argument des BVR: Die Zahl der Datenpunkte, entlang derer die Sicherungs-Einrichtung die Beiträge differenzieren kann, hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Zuletzt überarbeitet wurde das System vor zehn Jahren.

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2.) Die Pläne sind eindeutig eine Reaktion auf jüngste Streitfälle im Verbund

Grundsätzlich stehen die Genossen, verglichen mit den privaten Banken und Sparkassen, achtbar da. Der Bundesverband deutscher Banken hat nach dem milliardenschweren Entschädigungsfall Greensill Bank eben erst seinen Einlagenschutz reduziert. Die Sparkassen wiederum müssen auf Geheiß der europäischen Bankenaufsicht, der die Debatten um die Rettung der NordLB zu lange dauerten, für künftige Krisenfälle einen separaten Topf für die Einlagensicherung ansparen. Einen solchen Zusatzetat hatten die Genossen schon 2015 in Form der „BVR Institutssicherung GmbH“ eingerichtet, um den Anforderungen der EU-Richtlinie zur Einlagensicherung gerecht zu werden und nebenbei ihr bis dato angespartes Sicherungs-Vermögen gegenüber einem europäischen Zugriff abzuschirmen.

Die Genossen gehen ihre Reform somit aus eigenem Antrieb an. Doch es scheint klar, woher dabei der Wind weht. Die Neuerungen sollen es dem Kollektiv erlauben, Problem- und Streitfälle leichter in den Griff zu kriegen. Assoziationen mit den jüngsten Eskapaden einiger Primärinstitute drängen sich förmlich auf:

  • Die rund 74 Mio. Euro schwere Stützungsaktion für die Volksbank Heilbronn im Jahr 2021 war die umfangreichste Rettung im Verbund seit vielen Jahren. Das Institut im Ländle hatte sich an einem gut 200 Mio. Euro schweren Paket an außerbörslichen Zins-Swaps, mit denen es rund eine Dekade zu früh auf die Zinswende gewettet hatte, deutlich verhoben.
  • Schwer genervt sein dürfte die Sicherungs-Einrichtung von den Extra-Touren der Schmalkaldener sein. Deren Management fiel in den vergangenen Jahren zunächst mit Finanzierungen im internationalen Fußball und zahlreichen bankfernen Engagements aus dem Rahmen. Den Wunsch nach einer Sonderprüfung musste der BVR vor dem Berliner Landgericht durchfechten. Und der Umstand, dass zuvor bei einer von der Aufsicht veranlassten Sonderprüfung durch den Wirtschaftsprüfer EY nichts herausgekommen war, fand umgehend seinen Weg in die Presse (mehr Details zum Beispiel hier, hier und hier). Auch das wurde in Berlin als Affront empfunden.
  • Die Raiffeisenbank im Hochtaunus geht derweil einen komplett eigenen Weg: Das Institut hat das Filialgeschäft sowie das Regionalprinzip gleich ganz fahren lassen und finanziert lieber inzwischen bundesweit Gewerbeimmobilien. Das kommt im Verbund nur bedingt gut an (mehr Details hier, hier und im Podcast mit dem Vorstandschef ).

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3.) Eine Mehrheit für die Pläne ist keineswegs sicher

Für eine Änderung der Statuten braucht der BVR bei seiner Mitgliederversammlung eine Mehrheit von 75% der abgegebenen Stimmen. Eine hohe Hürde. Daher will Quinten in den kommenden Wochen auf Roadshow durch die Republik gehen. Allein zwischen dem 14. und 28. März stehen sechs Ortstermine mit Genossenschaftsverbänden auf der Agenda.

Für den Manager ist die Reform die erste große Bewährungsprobe und eine Gelegenheit, aus dem Schatten seines Vorgängers Gerhard Hofmann zu treten. Quinten läuft zwar Gefahr, sich den Vorwurf einzuhandeln, er wolle im Zuge der Reform bloß seine Macht im Verbund ausweiten. Die Dinge laufen zu lassen, dürfte für ihn allerdings weitaus höhere Risiken bergen.

Es ist beileibe nicht das erste Mal, dass die Genossen ihre Sicherungs-Einrichtung reformieren und dafür auf der Mitglieder-Versammlung eine Dreiviertel-Mehrheit benötigen. Allein in den vergangenen zehn Jahren war dies viermal der Fall. Dennoch scheint diesmal ein bisschen mehr Musik drin zu sein als für gewöhnlich. Dass ein BVR-Vorstandsmitglied durch die Republik tingelt, um Stimmen für Satzungs-Änderungen zu sammeln, hat es zuletzt vor acht Jahren gegeben, als die Genossen ihren zweiten Sicherungstopf einrichteten.

Im Verbund wird mit Blick auf das Votum Zuversicht verbreitet. Gehe es um die Solidargemeinschaft, habe sich in der Vergangenheit stets ein Konsens bilden lassen, heißt es. Ob dies auch diesmal gelingt, stellt sich am 15. Juni heraus – bei der diesjährigen Mitglieder-Versammlung.

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